Im Banne der Katastrophe

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  • Seit Freitag bin ich in einem Zustand, der schwer zu beschreiben ist. Mir ist schmerzlich aufgefallen, dass unsere schnelllebige Zeit, das Gehetze, der Job, Ängste vor Arbeitsplatzverlust und finanziellen Problemen, aber auch Vergnügen jeglicher Art, alle Menschen in Ihrem "Film" weiterlaufen lassen, ohne dass Sie registrieren, dass sich in Japan eine unendliche Katastrophe abspielt. Die Menschen nehmen es zwar zur Kenntnis und sind dann gleich wieder von Ihrem eigenen Leben in den Bann gezogen. Das alles mag ja auch verständlich und "normal" erscheinen, kann auch eine Schutzfunktion des Menschen sein, ich denke aber auch, dass es uns eine grosse Gefahr aufzeigt, die selten angesprochen wird. Ich setze dieses Thema darum bewusst in den Zusammenhang mit Geltung, Macht und Reichtum. Das Streben der Menschen nach Geltung, Macht und Reichtum ist der Grund, dass es vor allem der Wirtschaft immer mehr gelingt, uns Denkensweisen, Werte und Lebensgestaltungen aufzuzwingen, die bei objektiver Betrachtung jedes einzelnen, absout nicht in Ordnung sind und nicht sogenannt "menschlich" sind. Aber dank dem die grosse Masse sich dahingehend beeinflussen lässt, dass dies zu mehr Lebensstandart und Wohlergehen fürhen würde, eifern sie dem nach und setzen es nach und nach um. Das eigene Denken wird zu stark beeinflusst und machmal gar ausgeschaltet. Es funktioniert erst wieder, wenn der einzlene sich in einer akuten Notsituation wiederfindet. Nur steht er dann meistens alleine da und wird mit den (falls) vorhandenen sozialstaatlichen Szenarien abgefertigt, frei nach dem Motto, wenn er es selbst nicht schafft hat er wenigstens noch das.

    In Japan kann man zur Zeit eine dieser Strategien beobachten. Die Bevölkerung wird so gut wie möglich ruhig gehalten. Zum einen mag das gut sein, zum anderen setzt man bewusst deren Leben aufs Spiel, falls die Situation in dem Atomkraftwerk nicht in den Griff gebracht wird. Wenn man bereits am ersten Tag die Bevölkerung evakuiert hätte, auch im Grossraum Tokio, dann hätte man zwar imense Kosten und grosse logistische Probleme gehabt, aber man hätte auch vier bis fünf Tage mehr Zeit gehabt, um diese Probleme lösen zu können. Jetzt, wo langsam klar wird, dass man die Situation in diesem Kraftwerk wohl nicht in den Griff bekommt, muss man dann plötzlich doch alle evakuieren, oder sieht davon ab und nimmt in Kauf, dass dadurch noch viele weitere Menschen sterben werden. Ich weiss, dass ich von ca 35 Millionen Menschen spreche, die evakuiert werden müssten, aber warum macht man es nicht? Wohl nur aus dem Grund, damit die Wirtschaft nicht noch mehr leidet, weil die Menschen, dann nicht mehr zur Arbeit gehen würden, und nicht mehr konsumieren würden. Man setzt die Wirtschaft und das Geld über die einzelnen Menschenleben. Viele werden jetzt sagen, dass das normal sei, weil sonst viele Menschen auch leiden würden. Das mag stimmen, wenn man berücksichtigt, dass deren Abhängigkeit von der mächtigen Wirtschaft so gross ist, dass dies offensichtlich akzeptiert wird. Aber die Menschen würden wenigstens überleben und nicht krank werden, wenn man mit der Evakuation sofort begonnen hätte. Auf der anderen Seite verlangt die Wirtschaft immer "bessere" Rahmenbedingungen in Form von steuerlicher Entlastung, tiefen Löhnen, offenen Märkten, tiefen sozialen Leistungen usw. Wer bezahlt diese Forderungen letztendlich. Die kleinen Bürger und Arbeiter. Also verliert er doppelt. Solange nichts passiert, unterliegt er den Wünschen der Wirtschaft und bezahlt für die guten Rahmenbedingunge, wenn aber etwas so gravierendes passiert, wird die Wirtschaft höher eingestuft als der einzelne Mensch. Der wird im Notfall als Verlustrisiko in Kauf genommen.

    Dies ist nur ein aktuelles Beispiel, das ganze wiederholt sich auf dieser Welt aber am laufenden Band. Ich schreibe bewusst sehr provokativ und extrem, weil es sonst nicht wirkt. Vieles von dem was ich schreibe, scheint mir aber heute und auch früher durchaus real zu sein.

    Meine Fragen sind: Sehen und/oder spühren das die einzelnen Menschen dieser Gesellschaft auch? Wer sind die Profiteure, die dieses System stützen? Wer sind die Verlierer, die diesem System unterliegen?

    Und die letzte Frage: Ergeben solche Texte Sinn? Oder ist das eine völlige Verkennung der Situation oder panikmache?

    Meine Weltsicht ist nicht abgehoben, dieser Text wiederspiegelt lediglch meine Gefühle der letzen paar Tage, die natürlich stark von der Nachrichtenlage der Medien beeinflusst ist. Trotzdem erlaube ich mir diese Gedanken und bin auf Reaktionen sehr gespannt.

  • Danke lorus.

    Ich kann im Moment nicht so klar und sachlich bleiben, wie das viele hier im Forum sind. Es ist seit Jahren das erste Mal, dass ich regelmässig von meinen Gefühlen überwältigt werde. Sonst kann ich auch sehr distanziert argumentieren. Dies gelingt mir nicht, da ich das Gefühl habe, dass wir im Moment die grösste von Menschen gemachten und vom Erdbeben unterstützte Katastrophe erleben, die es je gegeben hat. Mein Gefühl sagt mir, dass das ganze noch viel grössere Dimensionen annehmen wird.

    Ich kann im Moment nicht nachvollziehen, wie hier bereits die Grabenkämpfe zwischen Gegenern und Befürwortern der Atomenergie in vollem Gange sind. Dies zeigt mir, dass die Abgrenzung dieser "Kämpfer" beängstigend gut funktioniert. Sind wir wirklich bereits so abgestumpft, dass wir trotz der Ereignisse die da ablaufen, einfach so unser Leben weiterleben? Klar werden jetzt einige sagen, dass wir sowieso nichts dagegen tun können. Das ist aber genau die Haltung die mir Angst macht. Denn zusammen kann man mittel- und langfristig immer etwas dagegen tun, wenn man will und nicht der Meinung ist, dass man dabei zu viel verlieren könnte.

  • Bei den Gegnern der Kernenergie kann ich diese Haltung gut verstehen, denn das ist einer der Momente indenen die Menschen zuhöhren. Solange nichts passiert werden sie als Schwarzseher abgestempelt.

    Ich verstehe dich mir geht es genauso und ich bin sicher der Mehrheit geht es nicht anders.