Grosse Firma, kleiner Arbeiter. Muss man sich heute alles gefallen lassen?

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  • Das Gastronomiegewerbe ist speziell. Aber es gibt zum Glück einen GAV und wenn der nicht weiter weiss, hilft die Unia, Suva oder sonst jemand. Ich habe im Moment eine so grosse Wut in meinem Bauch, dass ich am liebsten alle Teller auf den Boden schmeissen möchte. Aber ich schreibe lieber hier die Geschichte aus, vielleicht hat jemand einen Tipp.


    Ein Mann arbeitet seit über 4 Jahren im selben Betrieb. Viel Arbeit, täglich Putzen, Waschen und nochmals Putzen. Macht ihm nichts aus, er liebt den Job und er mag seine Kollegen. Im Dezember 17 hätte er eigentlich eine Woche Ferien, aber sein Kollege sitzt im Ausland fest, weil sein Pass abgelaufen ist. (......) Der Mann wird gefragt ob es möglich ist, dass er die Mehrstunden abdecken kann, weil wenn man jemanden als Aushilfe einstellen müsse, gehe das auf das Budget. Und wenn der Kollege kommt, könne er sofort in die Ferien, gleich an diesem Tag. Versprochen!


    Kollege hängt bis Januar im Ausland fest und organisiert seinen Pass. Also will man dem Mann ein Geschenk machen und sagt zu ihm: Schau, du bist so fleissig und wir sind so froh, dass wir dich haben! Du hast so viele Überstunden, danke dir vielmals. Wir möchten dir gerne 20 Stunden auszahlen, so als 'nette Geste'. Und du weisst, wenn der Kollege endlich kommt, kannst du sofort Ferien nehmen, ein paar Tage zum Ausspannen. Der Mann freut sich natürlich sehr. Einen zusätzlichen Batzen Geld ist immer Willkommen und er fühlt sich geschmeichelt, dass man seinen Einsatz so schätzt. Und ja, natürlich wollte er dort in die Ferien, aber der Job geht vor. Und der Chef sagte ihm, dass er eine ganze Woche Überzeit habe, also 42 Stunden, die Hälfte wird als Geld abgegolten und den Rest darf er Ferien nehmen. Das ist doch was. Und der Chef sagte wieder zu ihm, wenn der Kollege endlich kommt, gehst du sofort nach Hause. Versprochen! Der Chef seines Chefs kam noch vorbei und ärgerte sich über die Auszahlung der 20 Stunden und er solle doch in Zukunft früher Feierabend machen. Weil das koste die Firma zuviel. Früher Feierabend zu machen, ist aber nicht möglich und so machte der Mann einfach seinen Job.


    Kollege kommt dann endlich im Januar zurück. Und der Mann ging zum Chef und meinte, dass er jetzt in die Ferien geht. Und da sagte der Chef: Nein, das geht nicht! Schau mal, du hast 42 Minusstunden, du kannst nicht einfach in die Ferien gehen, wenn du so viele Minusstunden hast. Und du hast ja im Januar nochmals schon vorher Ferien eingegeben, die streichen wir dir. Wegen deiner Minusstunden. Und wenn nichts mehr ist, dann arbeite doch bitte weiter, wir sind sehr zufrieden mit dir. Der Mann wusste nicht wie ihm geschieht und er reklamierte und er erinnerte seinen Chef an sein Wort. Und er verstand nicht, dass er plötzlich Minusstunden habe. Darauf wurde er vom Chef seines Chefs hingewiesen, dass es halt jetzt schon so sei.


    Nun wurde dem Mann also eine Woche Ferien gestohlen. Er war sauer und traurig, aber er arbeitete weiter. Dann musste er im April seinen Fuss operieren, weil sich durch das Tragen der Sicherheitsschuhe einen Hallux gebildet hat. Er hatte schon über ein Jahr Schmerzen, aber er konnte nicht freimachen dafür, weil es im Betrieb knapp war mit den Mitarbeitern. Nun heilt die Wunde nicht sehr gut und er ist weiter krankgeschrieben. Die Firma hat ihm gekündigt. Und jetzt endlich traut er sich darüber zu sprechen. Zuvor hatte er Angst, dass man ihn entlassen könnte. Er als Ausländer und 50 Jahre alt schrieb sich keine grossen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu.


    Dazu kommt noch, dass er ein Restguthaben von Ferien hat. 6 Tage und der Verpflegungsabzug von 130.00 im Monat wurden ihm auch abgezogen. Auch wenn er wegen Krankheit nicht gearbeitet hatte. Die Sicherheitsschuhe musste er auch immer bezahlen. Der Betrieb bestellte sie und gab dem Mann den Einzahlungsschein mit der Bemerkung, dass er dies sofort zahlen soll, man wolle keine Mahnung. Nun schreibt aber die Suva, dass solche Arbeitsbekleidung vom Arbeitgeber bezahlt werden müssen.


    Konfrontiert mit diesen Forderungen meinte die Personalabteilung der Firma, dass sie dann einen Brief schreiben werde und darauf eingehe.


    Hat vielleicht noch jemand eine Idee, an wen man sich wenden könnte? Das Verhalten des Arbeitgebers ist doch nicht in Ordnung, oder?


    Danke und Gruss

  • Ich empfehle Ihnen sich so rasch wie möglich arbeitsrechtlich beraten zu lassen.


    Wenn Sie Mitglied einer Gewerkschaft sind, können Sie sich an Ihre Gewerkschaft wenden.


    Je nachdem in welcher Stadt bzw. in welchem Kanton Sie leben gibt es Stellen, an denen Sie sich kostenlos beraten lassen können.


    Das Arbeitsgericht in Zürich bietet kostenlose Rechtsauskünfte an (vergessen Sie nicht ihre Unterlagen mitzubringen).



    http://www.gerichte-zh.ch/orga…erich/rechtsauskunft.html


    Das Schweizerische Arbeiterhilfswerk in Zürich bietet ebenfalls eine kostenlose Rechtsberatung in arbeitsrechtlichen Fragen an.



    https://www.sah-zh.ch/impuls/a…rbeitsrecht-beratung.html


    Wenn Ihnen während Ihrer Krankschreibung gekündigt wurde, so ist diese Kündigung nichtig (Artikel 336c Absatz 1 Buchstabe b OR). Wenn Sie die Kündigung vor Ihrer Krankschreibung erhalten haben, aber während der Kündigungsfrist krankgeschrieben wurden, verlängert sich die Kündigungsfrist (Artikel 336c Absatz 2 OR. Lassen Sie sich beraten, ob Sie die Nichtigkeit der Kündigung, den Abzug von Ferien (Artikel 329b OR? bzw. Artikel 324 Absatz 1 OR) bzw. den Abzug von Überstundenguthaben (Artikel 324 Absatz 1 OR), den Verpflegungskostenabzug und die Kosten für die Sicherheitsschuhe vor Gericht einklagen können. Wenn Sie Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag nicht einklagen, kann es sein, dass Sie Probleme mit der Arbeitslosenversicherung bekommen.


    Ich empfehle Ihnen noch während der Kündigungsfrist 10 bis 12 Bewerbungen auf offene Stellen zu schreiben und Ausdrucke oder Kopien der Stellenanzeigen und Ihrer Bewerbungsschreiben aufzubewahren und sich bei mündlichen Bewerbungen eine schriftliche Bestätigung geben zu lassen, dass Sie sich beworben haben oder zumindest zu notieren bei welchen Person Sie sich an welchem Datum beworben haben, da Sie verpflichtet sind Ihre Bewerbungen bei der Arbeitslosenversicherung nachzuweisen und diese ihre Bewerbungen überprüfen können müssen.



    Art. 336c1G. Beendigung des Arbeitsverhältnisses / III. Kündigungsschutz / 2. Kündigung zur Unzeit / a. durch den Arbeitgeber


    2. Kündigung zur Unzeit


    a. durch den Arbeitgeber


    1 Nach Ablauf der Probezeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen:


    b.
    während der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder durch Unfall ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert ist, und zwar im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, ab zweitem bis und mit fünftem Dienstjahr während 90 Tagen und ab sechstem Dienstjahr während 180 Tagen;


    2 Die Kündigung, die während einer der in Absatz 1 festgesetzten Sperrfristen erklärt wird, ist nichtig; ist dagegen die Kündigung vor Beginn einer solchen Frist erfolgt, aber die Kündigungsfrist bis dahin noch nicht abgelaufen, so wird deren Ablauf unterbrochen und erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt.


    3 Gilt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Endtermin, wie das Ende eines Monats oder einer Arbeitswoche, und fällt dieser nicht mit dem Ende der fortgesetzten Kündigungsfrist zusammen, so verlängert sich diese bis zum nächstfolgenden Endtermin.


    Art. 17 L-GAV



    Kürzung des Ferienanspruchs



    Die Ferien können wegen Krankheit, Militärdienst oder Unfall nur gekürzt werden, wenn der Mitarbeiter



    pro Arbeitsjahr mehr als zwei Monate fehlt. Eine Kürzung von 1/12 erfolgt nur für einen ganzen Monat; der erste Monat der Abwesenheit begründet keine Kürzung der Ferien.



    Art. 329b C. Pflichten des Arbeitgebers / VIII. Freizeit, Ferien, Urlaub für Jugendarbeit und Mutterschaftsurlaub / 2. Ferien / b. Kürzung


    b. Kürzung


    1 Ist der Arbeitnehmer durch sein Verschulden während eines Dienstjahres insgesamt um mehr als einen Monat an der Arbeitsleistung verhindert, so kann der Arbeitgeber die Ferien für jeden vollen Monat der Verhinderung um einen Zwölftel kürzen.



    2 Beträgt die Verhinderung insgesamt nicht mehr als einen Monat im Dienstjahr und ist sie durch Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten, Ausübung eines öffentlichen Amtes oder Jugendurlaub, ohne Verschulden des Arbeitnehmers verursacht, so dürfen die Ferien vom Arbeitgeber nicht gekürzt werden.



    3 Die Ferien dürfen vom Arbeitgeber auch nicht gekürzt werden, wenn eine Arbeitnehmerin wegen Schwangerschaft bis zu zwei Monate an der Arbeitsleistung verhindert ist oder weil sie die Mutterschaftsentschädigung im Sinne des Erwerbsersatzgesetzes vom 25. September 1952 (EOG) bezogen hat.



    4 Durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann eine von den Absätzen 2 und 3 abweichende Regelung getroffen werden, wenn sie für den Arbeitnehmer im Ganzen mindestens gleichwertig ist.



    Art. 324 C. Pflichten des Arbeitgebers / III. Lohn bei Verhinderung an der Arbeitsleistung / 1. bei Annahmeverzug des Arbeitgebers


    III. Lohn bei Verhinderung an der Arbeitsleistung


    1. bei Annahmeverzug des Arbeitgebers


    1 Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist.


    2 Der Arbeitnehmer muss sich auf den Lohn anrechnen lassen, was er wegen Verhinderung an der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Arbeit erworben oder zu erwerben absichtlich unterlassen hat.




    Art. 6 L-GAV Kündigung



    1 Nach Ablauf der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis im ersten bis fünftem Arbeitsjahr mit einer Frist von einem Monat, ab dem sechsten Arbeitsjahr mit einer Frist von zwei Monaten, je auf das Ende eines Monats, gekündigt werden.



    Art. 335c1G. Beendigung des Arbeitsverhältnisses / II. Unbefristetes Arbeitsverhältnis / 2. Kündigungsfristen / c. nach Ablauf der Probezeit


    c. nach Ablauf der Probezeit


    1 Das Arbeitsverhältnis kann im ersten Dienstjahr mit einer Kündigungsfrist von einem Monat, im zweiten bis und mit dem neunten Dienstjahr mit einer Frist von zwei Monaten und nachher mit einer Frist von drei Monaten je auf das Ende eines Monats gekündigt werden.


    2 Diese Fristen dürfen durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag abgeändert werden; unter einen Monat dürfen sie jedoch nur durch Gesamtarbeitsvertrag und nur für das erste Dienstjahr herabgesetzt werden.


    Obligationenrecht (OR):



    https://www.admin.ch/opc/de/cl…ation/19110009/index.html


    Kommentar zum L-GAV (Gesamtarbeitsvertrag für das Gastgewerbe):



    http://l-gav.ch/fileadmin/down…d_L_GAV_2017_internet.pdf

  • Haaalt!! Stopp! Ist ja sehr nett von Ihnen, aber Sie haben da etwas übersehen.


    Die Unia ist bereits eingeschaltet. Die haben nach der Sperrfrist gekündigt.


    Was halten Sie von dieser Firma? Finden Sie nicht auch, dass man da etwas machen muss? Ich kann hier nicht einfach zusehen.

  • Sie haben allgemein formuliert geschrieben "Aber es gibt zum Glück einen GAV und wenn der nicht weiter weiss, hilft die Unia, Suva oder sonst jemand". Sie haben nicht geschrieben, dass die Unia im Fall dieses betroffenen Mannes diesen Mann berät und was die Unia konkret gemacht hat und was konkret gemacht wurde. Also kann ich auch nicht beurteilen, ob man noch mehr machen könnte, als die Unia bzw. der betroffene Mann bereits gemacht hat.