Was tun, wenn Sozialamt die Krankenkassen-Grundversicherung nicht übernimmt?

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  • Guten Abend!


    Meine Frage betrifft die Krankenkassen-Grundversicherung.


    Ist es möglich, dass man in der Schweiz ohne Krankenversicherung leben muss?


    Ich kenne jemanden, der vom Sozialamt unterstützt wird,


    aber sie übernehmen seine Prämie nicht.


    Also, die Grundversicherung.


    Er ist also im Krankheitsfall nicht versichert und kann sich nicht behandeln lassen.


    Sind das neue Sparmassnahmen des Sozialamtes?


    Lg Carlotta

  • Guten Morgen


    Das ist schon etwas merkwürdig. Die Grundversicherung bei der Krankenkasse ist grundsätzlich obligatorisch. Es gibt ein paar wenige Ausnahmen. Die dürften aber bei ihrem Bekannten nicht der Fall sein. Grundsätzlich muss das Sozialamt diese Kosten übernehmen. Was das Sozialamt alles für Kosten übernehmen sollte, ist in den SKOS Richtlinien aufgeführt. Hier bitte beachten, dass diese SKOS Richtlinien eine Empfehlung sind, aber eine Empfehlung nicht rechtsverbindlich ist. Einige Sozialämter halten sich nicht an die Empfehlung und haben da ihre eigenen Regelwerke. Betreffend Krankenkassenprämien stelle ich mich auf den Standpunkt, dass diese zum elementaren Existenzgrundbedarf gehören und folglich von allen Sozialämtern bezahlt werden müssten. Die Bundesverfassung schreibt vor, dass der existenzielle Grundbedarf gegeben sein muss. Kann es sein, dass dem Sozialamt bei der Bearbeitung der Unterlagen einfach nur ein Fehler unterlaufen ist? Dann würde ein Nachfragen wohl weiterhelfen.


    Es kann aber noch andere Gründe geben, weshalb das Sozialamt die Bezahlung der Prämien verweigert. Wenn eine Person nur zum Teil vom Sozialamt unterstützt werden muss, weil der Bezüger noch ein gewisses Einkommen hat, dann kann sich das Amt auf den Standpunkt stellen, dass der Bezüger die Prämien zuerst aus diesem Einkommen zu decken hat. Und nur noch gewisse andere Kosten übernimmt. Und ja, das ist in einem gewissen Sinne eine Sparmassnahme. Allerdings nicht unberechtigt. Denn das Sozialamt muss ja nur die elementare Existenzsicherung gewährleisten. Darüber hinaus besteht definitiv kein Anspruch.


    Es gibt aber noch eine Situation, bei der das Amt die Zahlung verweigert. Das Sozialamt bezahlt keine Rechnungen, welche vor dem Antrag auf Unterstützung aufgelaufen sind. Hat ein Bezüger die Krankenkassenprämien nicht bezahlt, bevor er Antrag stellt, dann werden diese in den Leistungen nicht berücksichtigt. Das ist ein administrativer Vorgang, welcher im Zusammenhang mit Krankenkassenprämien fragwürdig ist. Wenn man in Gefahr läuft, die eigene Existenz nicht mehr sichern zu können, dann sollte man nicht mit dem Gang aufs Sozialamt so lange warten, bis elementare Lebenskosten, wie eben Krankenkasse oder Miete, schon nicht mehr bezahlt wurden. Sonst wird es wirklich schwierig. Was man in so einem Fall dann noch tun könnte, weiss ich auch nicht gerade. Aber hier ist der Rechtsweg wohl eher aussichtslos.


    Ich bin kein Jurist und ich kann ihnen nicht im Detail empfehlen, welchen Weg sie hier am Besten wählen. Ich würde aber, auf jeden Fall zuerst das Gespräch mit dem Amt suchen, um Unklarheiten zu beseitigen. Und in diesem Fall scheint es Unklarheiten zu geben.


    Falls tatsächlich ein "rechtswidriges Verhalten" des Amtes vorliegen würde, dann sollten sie sich von einer juristischen Fachperson beraten lassen. Zum Beispiel beim Beratungsdienst des Beobachters. Viele Kantone bieten auch eine kostenlose Rechtsberatung an.


    LG.

  • Hallo Marikowari!


    Es ist so, dass mein Bekannter einen kleinen Nebenverdienst hat:


    Ca. 7 Stunden im Monat. Das ergibt


    120 Fr. Einkommen pro Monat.


    Dieser Betrag wurde bereits vom Sozialamt beim Grundbedarf abgezogen.


    Wieso sollte dieser doppelt abgezogen werden? Welchen Sinn macht das?


    Und wie soll ein Bürger ohne Krankenversicherung überleben? Da reicht ja schon ein Blinddarmentzündung aus...


    Und das soll eine Sparmassnahme sein?


    Lg Carlotta

  • Hallo Carlotta


    Ich kann nicht nachvollziehen, was sie mit "doppelt abziehen" meinen. Ich bin kein Spezialist, was Sozialhilfe anbetrifft. Aber meines Wissens beträgt der sogenannte Grundbedarf etwa 960.- /Monat. Darüber hinaus bezahlt das Sozialamt einen adäquaten Betrag für die Miete und eben die Pämien für die Krankenkasse. Hier sind die Beträge unterschiedlich und vom Wohnort abhängig. Das Monatseinkommen von 120.- wird vom Grundbedarf abgezogen. Das wären etwa die üblichen die Verhältnisse, soweit ich diese kenne. Ich hatte Ihnen bereits geraten, beim betreffendem Amt nochmal nachzufragen, ob da bei der Abrechnung ein Fehler unterlaufen ist. Das sind auch nur Menschen. Jetzt gleich von "Säuberungswelle" zu sprechen, halte ich für keine gute Idee. LG

  • Hallo Marikowari!


    Ich habe den letzten Satz gestrichen.


    Mit doppelt abziehen meine ich:


    1. Weniger Grundbedarf


    2. Anrechnen für die Begleichung der Prämie.


    Dieser Nebenverdienst reicht auch nicht aus, um einen Prämie zu begleichen.


    Und der Betrag wurde ja in die Grundberechnung für das Allernötigste einberechnet, er muss für Lebensmittel verwendet werden.


    Er wird nochmals auf dem Sozialamt nachfragen, ob es eine falsche Berechnung gab.


    Die Grundversicherung KK ist ja


    obligatorisch in der Schweiz.


    Lg

  • Hallo Carlotta


    Ich glaube jetzt habe ich verstanden, was mit doppelt abziehen gemeint war. Aber so ist das wohl nicht. Ich dachte, ich hätte mich im letzten Post klar genug ausgedrückt. Aber vielleicht muss ich das nochmal präzisieren.


    Richtig: Der Grundbedarf ist dazu da, die allgemeinen Lebenskosten zu decken. Also Lebensmittel, Kleidung, Toilettenartikel etc.. Die Krankenkassenprämie ist nicht Teil des Grundbedarfs. Diese Prämie muss zusätzlich zum Grundbedarf ausgerichtet werden. Ebenso die Mietkosten. Vom Grundbedarf wird aber der Verdienst aus dem Nebenerwerb abgezogen.


    Ihr Bekannter hat wohl auch Anspruch auf Prämienverbilligung. Dieser muss bei der SVA beantragt werden. Sie wird nicht automatisch ausgerichtet. Darauf sollten zuständige Sachbearbeiter/innen beim Sozialamt hinweisen. Es wäre primär im eigenen Interesse des Amtes. Die können aber nicht stellvertretend für den Bezüger einen entsprechenden Antrag stellen. Dies ist definitiv die Aufgabe des Bezügers. Tut er das nicht, kann dies als unkooperatives Verhalten gewertet werden. Auflagen und Anweisungen des Sozialamtes müssen befolgt werden. Sonst werden Sanktionen erlassen. Bei einem unkooperativen Verhalten des Bezügers, kann der Grundbedarf eingeschränkt werden. Dann erhält der Bezüger allenfalls nur noch Nothilfe. Das ist dann wirklich nicht mehr lustig. Aber selbstverschuldet.


    Ob das Sozialamt die Krankenkassenprämie streichen darf, wenn der Bezüger die Prämien-verbilligung nicht beantragt, weiss ich nicht. Ich denke das dies rechtlich nicht haltbar wäre. Sicher dürfen sie aber den Grundbedarf kürzen.


    Also: Vorausgesetzt ihr Bekannter verhält sich kooperativ, befolgt die Anweisungen des Amtes und hat alle erforderlichen Dokumente eingereicht, dann könnte hier wirklich einfach mal ein Fehler passiert sein.


    Dazu ein kurzes Beispiel: Eine Bekannte von mir hatte ernsthafte gesundheitliche Probleme. Und wurde eine Zeit lang zwischen IV und Sozialamt hin und her geschoben. Bezahlen wollen beide nicht. Aber müssen. Und wollten sie natürlich so schnell wie möglich los werden. Haben sie auch geschafft. In dem sie ihr wirklich auch Unterstützung boten, um wieder auf die Beine zu kommen. Bei den Abrechnungen zwischen IV und Sozialamt kam es gelegentlich mal zu Rechnungsfehlern. Was für die Bekannte sehr mühsam sein konnte, weil am Ende des Geldes, der Monat noch zu lange war. Die Fehler konnten im Nachhinein aber immer geklärt werden. Durch ein Gespräch. Im Durchschnitt erhielt sie durch das Sozialamt, als alleinstehende Person etwa 2000.- / pro Monat. Für Grundbedarf, Miete und Krankenkasse. Mit einen solchen Betrag kann man in der Schweiz gerade noch anständig leben. Ein "Schleck" ist es allerdings nicht. Ein klärendes Gespräch auf dem Sozialamt, ist wohl schon der erste Schritt.


    LG

  • Hallo Marikowari!


    Er hat natürlich die Prämienverbilligung beantragt. War immer kooperativ.


    Es wird also wohl ein Rechnungsfehler


    sein. Diese 2000 Fr. pro Monat bekommt


    wohl auch nicht jeder in der Schweiz, der Sozialhilfe bezieht.


    Damit könnte man tatsächlich noch einigermaßen anständig leben.


    Aber vielleicht wurden bei ihm noch


    mehr Rechnungsfehler gemacht.


    Vielen Dank für die Tipps! Er wird sich erkundigen.


    Lg Carlotta

  • Hallo Carlotta


    Nein die 2000.- bekommt man nur entsprechend dem Wohnort. Der Betrag enthält etwa 800.- für die Miete einer Ein-Zimmerwohnung. Aber finde sowas z.B. in der Stadt Zürich. Und auch die Krankenkassenprämien unterscheiden sich von Kanton zu Kanton. Der Betrag ist also nur für den Fall meiner Bekannten zutreffend. Der einzige Betrag, welcher meines Wissen mehr oder weniger überall etwa gleich berechnet wird, ist der Grundbetrag.


    also. Noch mal nachfragen.


    LG

  • @carlotta67


    Das Prämienverbilligungsrecht für die Verbilligung der Prämien für die Grundversicherung der Krankenversicherung und das Sozialhilferecht sind kantonales Recht. Normalerweise wird ein Pauschalbetrag für die Prämienverbilligung von einer kantonalen Amtsstelle direkt an den Krankenversicherer überwiesen. Falls die tatsächliche Prämie höher als die Prämienverbilligung ist, kann es sein, dass auch die Differenz direkt an die Krankenversicherung überwiesen wird. Es wird also in der Regel nur die Differenz zwischen den anderen bei der Sozialhilfe anerkannten Ausgaben abzüglich der bei der Sozialhilfe anrechenbaren Einnahmen auf das Bankkonto Ihres Bekannten überwiesen, wenn er die Krankenversicherungsprämie nicht mehr bezahlen muss, weil die Krankenversicherung die Krankenversicherungsprämie direkt überwiesen erhält.


    In den meisten Kantonen erklärt das kantonale Sozialhilfegesetz oder die kantonale Sozialhilfeverordnung die SKOS-Richtlinien für anwendbar. Wenn das im Kanton Ihres Bekannten so ist, sind die SKOS-Richtlinien für das Sozialamt der Gemeinde rechtlich verbindlich und es muss sich daran halten.


    Kapitel B.5 der SKOS-Richtlinien:




    B.5 Medizinische Grundversorgung (inkl. Krankenversicherung und Selbstbehalte/ Franchise)



    Die Gesundheitsversorgung im Rahmen der obligatorischen Grundversicherung gemäss KVG bildet Teil der materiellen Grundsicherung und ist in jedem Fall zu gewährleisten.



    Besteht ausnahmsweise kein Versicherungsschutz, so sind die Gesundheitskosten gegebenenfalls von der Sozialhilfe zu decken. Dies gilt auch für Selbstbehalte und Franchisen.


    Trotz des Obligatoriums kommt es vor, dass in der Schweiz lebende Personen nicht gegen Krankheit versichert sind. Dabei kann es sich insbesondere um Nichtsesshafte handeln. Bei ihnen sollte die Sozialhilfe für den Versicherungsschutz besorgt sein. Die Praxishilfen enthalten dazu konkrete Empfehlungen (vgl. Kapitel H.8).




    Die obligatorische Krankenversicherung gewährt Leistungen bei Krankheit, Unfall (soweit dafür keine Unfallversicherung aufkommt) und bei der Niederkunft. Familien und Einzelpersonen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen haben Anspruch auf Prämienermässigung. Höhe und Art der Prämienverbilligung sind von Kanton zu Kanton verschieden.




    Jener Teil der Prämien für die obligatorische Krankenversicherung, den bedürftige Personen allenfalls selbst bezahlen müssen, ist als Aufwand-position im Unterstützungsbudget zu berücksichtigen, ebenso wie die Kosten für Selbstbehalte und Franchisen.



    In begründeten Ausnahmefällen oder über einen absehbaren Zeitraum hinweg können auch Prämien für weitergehende Versicherungsleistungen angerechnet werden. Dieser Teil der Prämien gilt dann als situationsbedingte Sozialhilfeleistung (vgl. Kapitel C.1).


    SKOS-Richtlinien:



    https://skos.ch/fileadmin/user…ichtlinien-komplett-d.pdf


    Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht (UFS) in Zürich bietet eine kostenlose telefonische Beratung im Sozialhilferecht an. Die Telefonnummer steht rechts oben auf der Webseite.



    https://www.sozialhilfeberatung.ch/

  • @ Sozialversicherungsberater und @ carlotta67


    Sozialversicherungsberater präzisiert hier ziemlich deutlich, was ich laienhaft bereits ausdrückte.


    "Amtssprache" ist für Ungeübte oft sehr unverständlich. Daher verzichte ich, in Diskussionen, eher darauf Gesetzestexte zu zitieren. Lieber versuche ich hier, ein gewisses Rechtsverständnis zu entwickeln.


    Die Posts von Sozialversicherungsberater verweisen meistens auf irgendwelche Gesetze. Geht dann mehr in die Details. Nur, wie sagt man? Der Teufel steckt im Detail.


    Deshalb schätze ich die Beiträge von Sozialversicherungsberater sehr.


    LG

  • Ich gebe in meinen Antworten in der Regel, wenn dies möglich ist Links auf die Rechtsvorschriften an und gebe an welcher Stelle (Artikel, Paragraph §) dies in den Rechtsvorschriften steht, damit die Forenbenutzer


    - meine Antwort durch das Lesen der Rechtsvorschriften überprüfen können


    - beurteilen können, ob die Qualität meiner Antwort ausreichend verlässlich ist


    - die Rechtsvorschriften in einem Rechtsmittel erwähnen können, wenn sie in einem Rechtsmittel gegen eine Entscheidung einer Behörde begründen müssen, warum die Entscheidung einer Behörde gegen Rechtsvorschriften verstösst.

  • Hallo, Sozialversicherungsberater!


    Danke für die ausführlichen Angaben!


    Leider hat mein Bekannter bis heute die medizinische Grundsicherung nicht erhalten. Sie wurde auch nicht direkt an die Krankenkasse geschickt.


    Lg Carlotta

  • Sorry . Ich kann hier nicht genügend in die Akten einsehen. Deshalb kann ich hier nicht schlüssige Antworten geben.


    Ich habe aber so langsam das Gefühl, dass hier Fehler gemacht werden.


    Wie Sozialversicherungsberater nachdrücklich bestätigt hat, gehört die Krankenversicherung zum Existenzbedarf, welcher nach Verfassung gesichert sein muss.


    Wenn dies nicht der Fall ist .... ist das eben widerrechtlich.


    Ich weiss nicht wo der Fehler liegt. Nur sieht es so aus, dass hier wirklich ein Fehler vorliegt.


    Ich muss mich wiederholen: Nachfragen

  • marikowari


    Danke für die Antwort!


    Er hat nachgefragt. Es ist ein Sozialarbeiter dran, das abzuklären. Aber es wird etwas dauern, weil gerade sehr viel


    zu tun ist.


    Ist ja klar bei diesen vielen Kürzungen überall, da haben


    Sozualarbeiter viel zu tun.


    Es braucht jetzt Geduld!


    Lg

  • Hallo Carlotta


    Dann soweit mal gut. Dass Fehler bei den Ämtern passieren können, ist leider so. Gerade weil sie oft überlastet sind.


    Wenn es um die Krankenkasse geht, ist die Sache aber etwas zeitkritisch. Wenn die Prämien nicht bezahlt sind, ruht der Versicherungsschutz nach ziemlich kurzer Zeit.


    Hier darf man nicht zu lange warten.


    Soviel ich weiss, weist die Krankenkasse bei der Mahnung darauf hin, dass der Schutz ruht, wenn die Prämie nicht bis zur gesetzten Frist bezahlt wird. Bitte mal nachschauen.


    Es könnte noch hilfreich sein mit dem zuständigen Sachbearbeiter/in der Krankenkasse Kontakt aufzunehmen und die Situation zu erklären.


    LG

  • Hallo Marikowari!


    Mit der KK hat er Kontakt aufgenommen. Ich muss mal fragen, wie lange die Frist ist.


    Ich hoffe, die haben Geduld und Verständnis! Es muss


    ein Fehler passiert sein. Der Buchhalter hat dieses Jahr


    gewechselt (beim Amt).


    Lg