Der Fall Carlos/Brian!

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  • Als Optimist, der in jedem Menschen auch das Gute sieht, sehe ich für diesen jungen bedauernswerten Mann, kein Einzelfall, bei dem in seiner Entwicklung einiges schief lief und der Staat, die Boulevard-Presse und nicht zuletzt auch die sogenannte seriöse Presse und die SRG-DOK Sendungen/Reportagen und Berichterstattungen nicht im besten Licht dastehen, keinen Lichtschimmer am Ende des Tunnels.


    Was mich ärgert, dass jetzt von vielen Besserwissern auch aus Fachkreisen die Polizei und Haftbedingungen scharf kritisiert werden. Dieser Delinquent sei schon als Kind zu hart angefasstund in vielen Haftanstalten von den Vollzugsbeamten schikaniert worden. Zugegeben, wenn das zutrifft, was z.B. im Hochsicherheitstrakt Pöschwies abgelaufen ist, ist das absolut inakzeptabel und muss sanktioniert werden. Ich habe aber ein gewisses Verständnis, wenn auch Vollzugsbeamte mit langjähriger Erfahrung, die tagtäglich mit uneinsichtigen gewalttätigen Delinquenten konfrontiert werden an ihre Grenzen stossen und mal ausrasten. Dasselbe gilt für Polizisten die an vorderster Front immer den Kopf hinhalten müssen und dann von rot/grün an den Pranger gestellt werden, wenn auch sie mal nicht verhältnismässig oder dass was rot/grün unter verhältnismässig versteht handeln. Na, lassen wir das. Das ist eine andere Geschichte.


    Das gestrige mit Spannung erwartete Gerichtsurteil überrascht nicht. Das war vorauszusehen. Auch als juristischer Laie ist es leicht nachvollziehbar, dass eine ordentliche Verwahrung nicht verhältnismässig und eine frühzeitige Entlassung aus dem Strafvollzug aus Sicherheitsgründen nicht verantwortbar ist. Bleibt also nur noch die kleine Verwahrung mit Auflagen, die Carlos/Brian so wie es aussieht nie akzeptieren wird. Er sieht sich als einsamen Kämpfer „EINER GEGEN DEN STAAT“ und als gefeierten Held in Knastkreisen, der sich mit dem übermächtigen Staat anlegt. So sicher wie das Amen in der Kirche wird dieses Urteil über sämtliche Instanzen bis ans Bundesgericht weitergezogen, wenn nicht, was nicht auszuschliessen ist bis an den europäischen Gerichtshof. Und zu gegebener Zeit wird dieser Mann in die Freiheit entlassen, weil man ihn auf Grund seiner Vergehen und aus Menschenrechtsgründen nicht lebenslänglich wegsperren kann.


    Eine gescheiterte frustrierte Existenz auf der ganzen Linie, ohne jegliche Perspektiven und abhängig von der Sozialhilfe. Ein einsamer Kämpfer der versagt hat und nicht mehr als Held sondern als Versager wahrgenommen wird. Es ist lediglich eine Frage der Zeit bis diese durchtrainierte „Kampfmaschine“, wieder in Freiheit auf die Menschheit losgelassen, voll in die Kriminalität abgleitet, einmal mehr ausrastet und in eine Schlägerei verwickelt wird, mit im schlimmsten Fall tödlichem Ausgang für seinen oder seine unterlegenen Kontrahenten. Und eine weitere kleine Verwahrung, alle 5 Jahre verlängert, weil keine Therapieerfolge, respektive Therapieresistenz. Praktisch also eine lebenslängliche Verwahrung. Vielleicht sehe ich das Ganze etwas zu düster und hoffe von Herzen im Interesse von Carlos/Brian dass ich mich täusche und er den Weg resozialisiert in die Gemeinschaft findet. Die Hoffnung stirbt zuletzt.


    Abschliessend nur noch dies. Fachleute aus verschiedenen Bereichen und nicht zuletzt auch Daniel Jositsch, SP-Nationalrat und Strafrechtsprofessor, von dem ich persönlich sehr viel halte sind der Überzeugung, einiges wäre anders gelaufen, wenn man das Sondersetting mit 24 Stunden Einzelbetreuung in einer Viereinhalbzimmer-Wohnung und das Kickbox-Training auf Druck vom Mainstream und aus Kostengründen nicht abgebrochen hätte. Kosten zu Lasten der Steuerzahler, die jetzt um ein mehrfaches höher anfallen. Das Setting war erfolgreich, hätte doch Carlos voll mitgemacht und sei nicht unangenehm aufgefallen.


    Ich sehe das, zugegen als Laie aus meiner Perspektive etwas anders. Carlos ist immer noch auf der Stufe eines kleinen Kindes, das schreit und tobt, bis die Eltern entnervt aufgeben und die Wünsche des Kindes zähneknirschend erfüllen. Warum sollte Carlos ausrasten und anstelle einer Rundumbetreuung in einer schönen Wohnung mit Kickbox-Training wieder seine Strafe in einer Gefängniszelle absitzen?


    Mal abgesehen davon, dass eine solche VIP-Sonderbehandlung weitere Gefängnisinsassen angespornt hätten es Carlos nachzuahmen -- habe ich so meine Bedenken, ob Carlos, inzwischen zur „Kampfmaschine“ ausgebildet, bereit gewesen wäre, auf eigenen Füssen zu stehen, eine entsprechende Ausbildung zu absolvieren und sich an Regeln, ohne die es nun mal nicht geht zu halten.


    Kobold

  • Ein sich "NORMAL" verhaltender Steuerzahler kann und muss das nicht verstehen darf sich aber Gedanken machen. Wer etwas mit Ausbildung zu tun hat weis, dass falsch gelernte Verhaltensmuster oder Bewegungsabläufe nur mit starkem Willen und üben geändert werden können. Ich sehe das wie Kobold. Brian oder Carlos hat als Kind gemerkt, dass mit genug Quängeln sein Wille durchgesetzt werden konnte. Irgendwann reichte Quängeln nicht mehr aber er fand die dazu nötigen Verhaltensmassnahmen. Alle staatlichen Anstrengungen und Sondersettings helfen nicht solange sich Brian nicht ändern will. Für mich stellt sich die Frage: Wo ist die Verantwortung der Eltern?

  • @Selbständig

    Für mich stellt sich die Frage: Wo ist die Verantwortung der Eltern?


    Diese Frage kann man, und muss man sich stellen. Diese Frage muss sich auch der Rest der Gesellschaft stellen, welche nun eine Verantwortung mittraegt, wenn die Eltern eines Kindes mit deren Verantwortung ueberfordert sind.


    Bezueglich mit der Verantwortung fuer ein Kind uebernehmen zu koennen:


    Im Fall / Brian kann es sich um einen andauernd quaengelenden Trotzkopf handeln. Das kann auch ueberfordern.


    Eine Ueberforderung der Eltern kann aber auch durch eine unheilbare Krankheit des Kindes entstehen.


    In beiden Faellen ist eine Mitverantwortung der Gesellschaft gefordert und erforderlich.


    Alle staatlichen Anstrengungen und Sondersettings helfen nicht solange sich Brian nicht ändern will.


    Dieser, etwas pauschalen Aussage, muss ich leider anhand meiner Erfahrungswerte mit aehnlich gelagerten Faellen, leider zustimmen.


    Es gibt den Begriff der Therapierestistenz. Wer eine Therapie etwelcher Art, von vorne herein ablehnt, dem kann kaum geholfen werden. Hier sind Behoerden und Eltern praktisch machtlos. Und ebenso hilflos.


    Ich selbst habe keinen Einblick in den Fall von Brian/Carlos. Alles was ich darueber weiss, entstammt von Medienberichten. Und die Medien spielen hier zeitweise eine fragwuerdige Rolle.


    Anhand des mir zugaenglichen Wissens aus dritter Hand, habe ich etwas den Eindruck bekommen, dass man mal anzweifeln darf, ob bei der Festlegung von Sondersettings nicht gravierende Fehler begangen wurden.


    Ich halte es fuer kritisch, einem "quaengelden Trotzkopf" mit stark aggressiven Potential, ausgerechnet eine Kampfsportausbildung als Therapie zu verordnen.


    Und hier muss ich auch noch die Verantwortung des betreffenden Ausbildners etwas ansprechen:


    Ein gut ausgebildeter Kampfsportlehrer hatte wohl erkennen muessen, dass sein Schueler mental nicht in der Lage ist, mit seiner natureigenen Aggression richtig umzugehen. Und haette ihn folglich nicht zu einer unkontrollierbaren Kampfmaschine ausbilden duerfen.


    Ich moechte mich zum speziellen Fall Brian/Carlos nicht mehr weiter auessern. Wegen mangeldem Wissen zum speziellen Fall.


    Ueber grundsaetzliche Fragen koennen wir gerne weiterdiskutieren.

  • mupli


    Faelle wie Brian /Carlos bekommen in den USA allenfalls noch die Chance, eines der Bootcamps zu durchlaufen. Das ist dort quasi die allgmeinuebliche Form von Sondersetting. Und auch die einmalige Chance. Funktioniert das nicht..... bleibt der Deliquent wahrscheinlich fuer immer im Gefaengnis.


    Die Schweiz ist nicht alleine mit der Devise, dass man Straftaeter versucht zu resozialisieren. Insbesondere EU-Laender folgen der Devise. Aber die Unterschiede sind auch hier recht gross.


    In meinem Lebeland lehnt sich der Strafvollzug zwar auch an diese Devise an. Aber mehr theoretisch als praktisch. Das "Arbeitsprogramm" ist praktisch die einzige Resozialisierungsmassnahme.


    Damit koennen sich die Gefangenen etwas Geld verdienen. Damit koennen sie sich auch mal etwas zusaetzliches zu Essen kaufen. Oder sonst etwas. Was sich diejenigen nicht leisten koennen, welche am Arbeitsprogramm nicht teilnehmen wollen,oder nicht zugelassen werden.


    Kritisch an diesem System ist, dass einzelne Gefangene Finanzhilfe von Aussen bekommen. Und deshalb nicht am Arbeitsprogramm teilnehmen muessen.