Gut möglich. Es fängt schon bei den Begriffen an. Bundespräsidentin Sommaruga spricht davon, dass alle gleichermassen von Corona «betroffen» seien. Das stimmt – und ist doch irreführend. Entscheidend ist nicht der Betroffenheits-, sondern der Bedrohungsgrad. Und der liegt nach heutigen Erkenntnissen bei den Risikogruppen deutlich höher.
Die verfälschende Problemverallgemeinerung kann zu falschen Lösungen führen. Anstatt gezielt zu schützen und abzuschirmen, auferlegt der Bundesrat der ganzen Schweiz gigantische Opfer mit unabsehbaren Langzeitfolgen. Die Börsen stürzen ab. Konkurswellen rollen an. Existenzen werden vernichtet. Kein Risiko trägt eigentlich nur die Regierung: Gibt es weniger Tote als erwartet, ist es wegen ihrer Politik. Gibt es mehr Tote als befürchtet, liegt es am Virus. Geht die Wirtschaft unter, bekommen die Bundesräte trotzdem ihren Lohn. Ausbaden müssen es andere.
Die Dämme werden brechen. Schon heute ruft die Wirtschaft nach dem Staat. Die Regierung wird nicht nein sagen können, weil sie mit ihren Massnahmen die Misere selbst hervorrief. Der Bundesrat gerät in Geiselhaft von Unternehmen, Medien und Parteien. Wer bekommt Geld? Wer geht bankrott? Die Allmacht der Politik wird den Staat aufblähen wie im Krieg. Ein neuer Kollektivismus bricht aus. Er könnte die Schweiz auf Dauer verändern. Nicht zum Guten.
Anders macht es Grossbritannien. Mutig schwimmt Premier Boris Johnson gegen den globalen Strom. Statt die Wirtschaft ins terminale Koma zu befördern, setzt er auf gezielten Schutz der «sehr kleinen, aber wichtigen Gruppe» der besonders Gefährdeten. Schulen bleiben offen, das Leben geht weiter. Ob es gelingt? Ob er es durchhält? Keiner weiss es. Niemand hat das Rezept. Alle sind auf einem Blindflug, Bundesrat, Medien, Politik, der Schreibende inbegriffen. Gerade auf einem Blindflug aber ist es nötig, laufend den Kurs zu hinterfragen. Nur die Abgründe, die wir nicht sehen, bringen uns um.“ (Roger Köppel in Weltwoche 1272020, 18.03.2020) Alex Schneider, Küttigen