Darf das Sozialamt einem Konkubinatspaar die Trennung verbieten?

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  • Mir wurde von der Pro Infirmis und vom Sozialamt gesagt, dass ich aus der jetzigen Wohnung (2 Personen: Konkubinatspaar) nicht ausziehen darf.


    Ich habe IV/EL. Und mein Partner Sozialhilfe.


    Bei einem Auszug von mir würden wir trotzdem weiterhin als Lebenspartnerschaft betrachtet.



    Ist das so korrekt?



    Lg


    Carlotta

  • @carlotta67-1


    Haben Sie diese Auskunft schriftlich erhalten? Verstehe ich es richtig, dass Sie vorhaben aus der bisherigen Wohnung ausziehen wollen und in eine andere Wohnung ziehen wollen und dort ohne ihren (Ex-)Konkubinatspartner wohnen werden und danach auch nicht mehr in der Wohnung des (Ex-)Konkubinatspartners übernachten werden? Es geht also um eine echte Trennung und nicht nur um getrenntes Wohnen bei Weiterbestehen einer Liebesbeziehung mit gelegentlichem gemeinsamem Übernachten beim Partner?

  • @carlotta67


    Der Satz "Getrenntes Wohnen ist getrenntes Wohnen." beantwortet meine Fragen nicht. Ohne Antworten auf meine Fragen, kann ich die wahrscheinlichen Folgen auf die Höhe der Ergänzungsleistungen und auf die Höhe der Sozialhilfe nicht beantworten.


    Das Sozialhilferecht ist kantonales Recht. In welchem Kanton wohnt Ihr Konkubinatspartner?

  • Wir wollen das Konkubinat auflösen. Und werden 2 Wohnungen haben. Mit meiner IV kann ich mir nicht leisten, 2 Personen zu ernähren. Eine kleine Wohnung kann ich mir mit der IV leisten.


    Das Konkubinat ist durch diese Konflikte zerrüttet.



    Wir leben im Tessin.

  • @carlotta67


    Wenn Sie der für die EL zuständigen Behörde den Auszug aus der Wohnung und den Einzug in eine neue Wohnung melden und melden, dass Sie sich vom Konkubinatspartner trennen, der in der alten Wohnung bleibt, müsste die für die EL zuständige Behörde eine neue Verfügung über den Anspruch auf Ergänzungsleistungen erstellen, welche ab dem Beginn des Monats des Umzugs gilt.


    Grundsätzlich entspricht gemäss Artikel 9 Absatz 1 ELG die jährliche Ergänzungsleistung dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen. Gemäss Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer 1 ELG werden bei alleinstehenden Personen als jährlicher Höchstbetrag für den Mietzins einer Wohnung die damit zusammenhängenden Nebenkosten 13'200 Franken als Ausgabe anerkannt. Wenn die Wohnung und die Nebenkosten pro Jahr mehr als 13'200 Franken kosten, müssen Sie den Rest selbst aus dem Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf bezahlen. Ab 1. Januar 2021 wird der jährliche Höchstbetrag voraussichtlich erhöht und hängt dann davon ab, in welcher Gemeinde Sie dann wohnen. Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung Ihrem ehemaligen Konkubinatspartner den Unterhalt (weder die Miete noch den Lebensunterhalt) zu bezahlen. Deshalb wird bei der Berechnung der Höhe der Ergänzungsleistungen gemäss Artikel 10 Absatz 3 Buchstabe e ELG auch keine Ausgabe für geleistete familienrechtliche Unterhaltsbeiträge anerkannt, weil eine Zahlung für den Unterhalt des an Konkubinatspartners keine familienrechtliche Verpflichtung ist. Wenn Sie nach dem Auszug trotzdem ihrem Konkubinatspartner etwas für seinen Unterhalt bezahlen, wird gemäss Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe g ELG das Vermögen, auf das Sie verzichten, weil Sie es ihm ohne rechtliche Verpflichtung geben, bei der Berechnung der Höhe der Ergänzungsleistungen gemäss Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe c ELG angerechnet. Wenn das Vermögen insgesamt über dem Freibetrag ist, führt dies zu einer Kürzung der Höhe der Ergänzungsleistungen. Wenn die Höhe der EL in der neuen Verfügung falsch ist, können Sie innerhalb von 30 Tagen nach dem Erhalt der Verfügung eine unterschriebene Einsprache gegen die Verfügung einreichen und beantragen, wie hoch der Betrag der EL sein soll und begründen warum dieser Betrag in dieser Höhe sein soll.



    Art. 9 Berechnung und Höhe der jährlichen Ergänzungsleistung


    1 Die jährliche Ergänzungsleistung entspricht dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen.




    Art. 10 Anerkannte Ausgaben


    1 Bei Personen, die nicht dauernd oder längere Zeit in einem Heim oder Spital leben (zu Hause lebende Personen), werden als Ausgaben anerkannt:


    a.als Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf pro Jahr:

    1.

    bei alleinstehenden Personen: 19 450 Franken,

    b.der Mietzins einer Wohnung und die damit zusammenhängenden Nebenkosten; wird eine Schlussabrechnung für die Nebenkosten erstellt, so ist weder eine Nach- noch eine Rückzahlung zu berücksichtigen; als jährlicher Höchstbetrag werden anerkannt:

    1.
    bei alleinstehenden Personen: 13 200 Franken,


    3 Bei allen Personen werden zudem als Ausgaben anerkannt:


    a.Gewinnungskosten bis zur Höhe des Bruttoerwerbseinkommens;c.Beiträge an die Sozialversicherungen des Bundes unter Ausschluss der Prämien für die Krankenversicherung;d.ein jährlicher Pauschalbetrag für die obligatorische Krankenpflegeversicherung; der Pauschalbetrag hat der kantonalen beziehungsweise regionalen Durchschnittsprämie für die obligatorische Krankenpflegeversicherung (inkl. Unfalldeckung) zu entsprechen;


    Art. 11 Anrechenbare Einnahmen


    1 Als Einnahmen werden angerechnet:

    a.
    zwei Drittel der Erwerbseinkünfte in Geld oder Naturalien, soweit sie bei alleinstehenden Personen jährlich 1000 Franken und bei Ehepaaren und Personen mit rentenberechtigten Waisen oder mit Kindern, die einen Anspruch auf eine Kinderrente der AHV oder IV begründen, 1500 Franken übersteigen; bei invaliden Personen mit einem Anspruch auf ein Taggeld der IV wird das Erwerbseinkommen voll angerechnet;
    b.
    Einkünfte aus beweglichem und unbeweglichem Vermögen;

    c.

    ein Fünfzehntel, bei Altersrentnerinnen und Altersrentnern ein Zehntel des Reinvermögens, soweit es bei alleinstehenden Personen 37 500 Franken, bei Ehepaaren 60 000 Franken und bei rentenberechtigten Waisen sowie bei Kindern, die einen Anspruch auf eine Kinderrente der AHV oder IV begründen, 15 000 Franken übersteigt; gehört der Bezügerin oder dem Bezüger oder einer Person, die in die Berechnung der Ergänzungsleistung eingeschlossen ist, eine Liegenschaft, die mindestens von einer dieser Personen bewohnt wird, so ist nur der 112 500 Franken übersteigende Wert der Liegenschaft beim Vermögen zu berücksichtigen;d.Renten, Pensionen und andere wiederkehrende Leistungen, einschliesslich der Renten der AHV und der IV;e.Leistungen aus Verpfründungsvertrag und ähnlichen Vereinbarungen;f.Familienzulagen;g.Einkünfte und Vermögenswerte, auf die verzichtet worden ist;h.familienrechtliche Unterhaltsbeiträge.

    Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG):



    Fedlex

  • @carlotta67


    Wenn Ihr Konkubinatspartner der für die Sozialhilfe zuständigen Behörde meldet, dass Sie ausgezogen sind und das Konkubinat aufgelöst haben und bei der Berechnung der Höhe der Sozialhilfe bei ihm weiterhin eine fiktive Einnahme aus einem Konkubinatsbeitrag von Ihnen oder eine fiktive Einnahme aus der Haushaltsführung angerechnet wird, muss Ihr Konkubinatspartner von der Behörde eine neue Verfügung über die Höhe der Sozialhilfe verlangen wenn es auch in der Verfügung weiterhin gemacht wird diese Verfügung innerhalb der Frist mit einem schriftlichen Rechtsmittel anfechten. Die für die Sozialhilfe zuständige Behörde kann Sie nach dem Auszug nicht zwingen Ihrem ehemaligen Konkubinatspartner den Unterhalt oder die Miete zu bezahlen. Gemäss Artikel 19 und Artikel 23 Absatz 2 des Legge sull’assistenza sociale (dell’8 marzo 1971) scheinen im Kanton Tessin die Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) anwendbar zu sein. Aus den Abschnitten B.2.3, F.5.3 und F.5.1 der SKOS-Richtlinien und dem dort verwendeten Begriff "zusammenleben" ergibt sich, dass kein Konkubinat mehr vorliegt und bei der Berechnung der Höhe der Sozialhile Ihres ehemaligen Konkubinatspartners keine Einnahme aus einem Konkubinatsbeitrag mehr angerechnet werden darf, sobald Sie ausgezogen sind.


    B.2.3 Personen in familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaften



    Der Grundbedarf für den Lebensunterhalt wird anteilmässig im Verhältnis zur gesamten Haushaltsgrösse festgelegt.



    Unter den Begriff familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaften fallen Paare oder Gruppen, welche die Haushaltfunktionen (Wohnen, Essen, Waschen, Reinigen usw.) gemeinsam ausüben und/oder finanzieren, also zusammenleben, ohne eine Unterstützungseinheit zu bilden (z.B. Konkubinatspaare, Eltern mit volljährigen Kindern).


    Durch das gemeinsame Führen des Haushalts entspricht der Bedarf der Wohn- und Lebensgemeinschaft jenem einer Unterstützungseinheit gleicher Grösse.




    F.5.3 Konkubinatsbeitrag



    Leben die Partner in einem stabilen Konkubinat und wird nur eine Person unterstützt, werden Einkommen und Vermögen des nicht unterstützten Konkubinatspartners angemessen berücksichtigt.




    F. 5.1 Grundsätze



    Die in einer familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaft (vgl. Definition Kapitel B.2.3) zusammenlebenden Personen werden nicht als Unterstützungseinheit erfasst.



    Ein Beitrag der nicht unterstützten Person im Budget der unterstützten Person kann nur unter den Titeln Entschädigung für Haushaltführung oder Konkubinatsbeitrag angerechnet werden, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Insbesondere ist zu beachten, dass ein Konkubinatsbeitrag nur bei einem stabilen Konkubinat angerechnet werden kann.


    Ein Konkubinat (auch gleichgeschlechtliche eheähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaft) gilt als stabil, wenn es mindestens zwei Jahre andauert oder die Partner mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben.


    SKOS-Richtlinien:


    https://skos.ch/fileadmin/user_upload/skos_main/public/pdf/richtlinien/Aktuelle_Richtlinien/2020_SKOS-Richtlinien-komplett-d.pdf


    Legge sull’assistenza sociale (dell’8 marzo 1971)


    CAN - Raccolta delle leggi del Cantone Ticino


    Regolamento sull’assistenza sociale (del 18 febbraio 2003)


    CAN - Raccolta delle leggi del Cantone Ticino


    Direttive riguardanti gli importi delle prestazioni assistenziali per il 2020 (del 27 dicembre 2019)



    CAN - Raccolta delle leggi del Cantone Ticino

  • @Sozialversicher


    Vielen Dank für diese ausführlichen Paragraphen!


    Und die Infos!



    Das Sozialamt sagte mir, sie werden mich nach einem Auszug zwingen, weiterhin den Unterhalt an den früheren Konkubinatspartner zu zählen. Auch die Pro Infirmis bestätigte mir diese Verpflichtung einer Unterhaltszahlung.

  • @carlotta67


    Ich empfehle Ihnen das Sozialamt zu fragen, auf Basis von welchen Artikeln aus welchen Gesetzen das Sozialamt glaubt, dass Sie nach einem Auszug aus der Wohnung und nach der Beendigung des Konkubinats verpflichtet wären Ihrem ehemaligen Konkubinatspartner den Unterhalt zu bezahlen und das Sozialamt glaubt, solche Zahlungen von Ihnen erzwingen zu können. Wenn Sie mir dann die Namen der Gesetze und die Nummern der Artikel sagen, kann ich nachschauen, was dort tatsächlich drinnen steht. Gemäss dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch besteht keine Pflicht für den Unterhalt eines aktuellen oder ehemaligen Konkubinatspartner zu zahlen. Wenn Sie nach dem Auszug keine Sozialhilfe beziehen, sondern nur eine IV-Rente und Ergänzungsleistungen zur IV beziehen, ist auch das Sozialhilfegesetz des Kantons Tessin (Legge sull’assistenza sociale) nicht auf Sie anwendbar.

  • @Sozialversicher


    Die Pro Infirmis hat sich bei einem Anwalt erkundigt, wie die Rechtslage ist.


    Daraufhin teilte man mir telefonisch mit, dass ein Auszug nicht möglich sei.
    Ausser, ich ziehe aus und zahle weiterhin Unterhalt an meinen ehemaligen Konkubinatspartner.
    Das sei so Gesetz.


    Man sagte mir nicht aufgrund welches Paragraphens das so ist. Schriftlich habe ich dazu nichts bekommen.

  • @carlotta67


    Ich empfehle Ihnen sich durch die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht (UFS) in Zürich telefonisch beraten zu lassen. Dort arbeiten auf Sozialhilferecht spezialisierte Juristen. Die telefonische Beratung ist dort kostenlos. Die Telefonberatung findet am Montag von 11 bis 14 Uhr und am Mittwoch von 9 bis 12 Uhr statt. Vielleicht hat die Pro Infirmis dem Anwalt nicht gesagt, dass sich die Frage auf die Situation nach einem Auszug aus der Wohnung und nach einer Trennung bezieht. Ich glaube die Auskunft des Anwalts ist falsch.



    WIR SETZEN UNS FÜR DIE RECHTE VON SOZIALHILFEBEZIEHENDEN EIN. | UFS
    «...und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen» heisst es in unserer Bundesverfassung. Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS…
    www.sozialhilfeberatung.ch

  • @carlotta67


    Sie können versuchen sich direkt durch die Consulenza giuridica handicap der Inclusione Andicap Ticino beraten zu lassen. Wenn Sie sich dort direkt erkundigen anstatt die Pro Infirmis das machen zu lassen, können Sie sicherer sein, dass Sie die Situtation beschreiben können und können nachfragen auf welches Gesetz und auf welchen Artikel im Gesetz sich die Antwort bezieht. Denn letztes Mal haben sie ja nicht erfahren, auf welches Gesetz und welchen Artikel im Gesetz sich die Antwort bezieht und konnten nicht sicher sein, ob die Pro Infirmis die Frage richtig gestellt hat und die Situation auf welche sich die Frage bezieht richtig und vollständig beschrieben hat.