Aus einer Diskussion mit @Transmitter heraus eröffne ich dieses Thema.
Es ging um den Unterschied zwischen Dissoziationen und einer Dissoziativen Identitätsstörung (ich bevorzuge den Begriff Dissoziative Identitätsstruktur, da es eigentlich keine Störung ist, sondern ein Überlebensmechanismus, die eine ander als die "normale" Persönlichkeitsstruktur zur Folge hat).
Eine Dissoziaitve Identitätsstruktur (DIS) entsteht in der frühen Kindheit (je nach Experten etwa bis zum 5. bis 9. Lebensjahr). Sie ist die direkte Folge von massiven (und meist wiederholten) Traumata.
Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Persönlichkeit nicht festigen kann, sondern dissoziiert. Das heisst, dass sich unterschiedliche Persönlichkeitsanteile entwickeln, die unabhängig voneinander agieren und, zumindest zu Beginn, nichts voneinander wissen. Es kann sein, dass es Persönlichkeitsanteile gibt, die von anderen wissen, aber es ist zu Beginn immer so, dass gewisse Anteile amnestisch für die anderen sind.
Die verschiedenen Anteile können sich stark voneinander unterscheiden, zum Beispiel in Interesse, Fähigkeit, Vorlieben. So mag der eine Anteil zum Beispiel Käse, während der andere Käse hasst. Oder ein Anteil schreibt mit Links und der andere mit Rechts.
Die entsprechende Diagnose ist im ICD-10 F44.81
Es gibt eine "abgeschwächte" Variante, in der es meistens so ist, dass die Anteile nicht vollständig voneinander getrennt sind und zum Beispiel keine Amnesien vorliegt. Im ICD-10 wäre das F44.9.
Daneben gibt es noch dissoziative Störungen. Im ICD-10 wären das F44.0 bis F44.7. Das sind andere Formen von Dissoziationen, die Abkürzung dafür ist NICHT DIS. Die Abkürzung DIS steht NUR für Dissoziative Identitätsstruktur. Das verwechseln sehr viele, auch viele Betroffene.
Dabei kann es sich um unterschiedlichste Formen von Dissoziationen handeln. Darunter gehören dissoziative Amnesien, dissoziative Fugue, dissoziative Krampfanfälle etc.
Jemand mit einer DIS hat in der Regel auch andere Formen von Dissoziationen, insbesondere die dissoziative Amnesie. Welche anderen Formen da zusätzlich auftreten ist aber sehr individuell. Es kann auch sein, dass jemand das gesamte Spektrum von Dissoziationen aufweist, inkl der DIS.
Hier der Auszug aus dem ICD-10 (ab 2022 wird das ICD-11 als offizielle Variante im deutschsprachigen Raum eingeführt, da gibt es bezüglich Diagnosekriterien einige Unterschiede zum ICD-10):
https://www.icd-code.de/icd/code/F44.-.html