Sozialamt berechnet Rückzahlung von IV falsch. Jetzt Leben unter Existenzminimum. Ist dies korrekt?

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  • Guten Tag


    Wir haben ein Problem mit Rückzahlungsforderungen. Seit kurzem erhält mein Bruder eine IV Rente des Kanton Solothurns. Zuvor wurden Sozialhilfe-Gelder bezogen.


    Wie üblich wurde die Rückzahlung der IV mit den Rückforderungen des Sozialamtes verrechnet.


    Das Problem ist nun: Mein Bruder erhielt von der IV ca. 5000.- ausbezahlt während der grösste Teil für die vom Sozialamt zuvor berechnete (und an die IV gemeldete) Rückforderung von rund 21'000.- verwendet wurde.


    Nach jahrelangem Leben am Minimum war die Freude über das erhaltene Geld gross. Dennoch hat er praktisch alles Geld für Rückzahlung von privaten Schulden genutzt.


    Circa zwei Wochen später ruf das Sozialamt an und sagte sie hätten die Rückforderung, welche an die IV ging, um circa 5000.- falsch berechnet. Er müsse dieses Geld nun noch dem Sozialamt zurückzahlen. In diesem Telefonat wurde zuerst von 10'000.- gesprochen in der Verfügung 3-4 Monate später entspricht der Betrag exakt dem Betrag welche die IV ihm ausbezahlt hat.


    Er hat nach dem Telefonat Rücksprache mit der IV Kt. Solothurn gehalten, welche ihm bestätigte alles sei korrekt gelaufen. Zudem hat er diese Gelder wie erwähnt bereits verwendet und sind nicht mehr vorhanden.


    Da er noch auf die Bewilligung seines Antrags auf Ergänzungsleistungen wartet bezieht er weiterhin Sozialhilfe. Nun wird ihm seit diesem Telefonat rund 190.- monatlich für diese Rückzahlung abgezogen.

    • Uns stellt sich die Frage, ob dies von seitens des Sozialamtes rechtlich korrekt ist?
    • Da er für die falsche Berechnung nichts kann und da das Geld nicht vorhanden ist, inwiefern eine Kürzung der Sozialhilfe überhaupt gerechtfertigt ist (anstelle auf die EL-Rückzahlung o.ä. zu warten)?
    • Wäre es nicht korrekter eine Rechnung (mit evtl. folgender Betreibung/Pfändung) zu stellen?

    Denn er lebt jetzt mit 190.- unter dem Existenzminimum, d.h. er hat weniger Geld zur Verfügung bevor er seine 100% IV-Rente bekam.


    Seltsam ist weiterhin, dass er bis am 02.12. auf eine schriftliche Verfügung warten musste, aber bereits Gelder abgezogen werden. Das erwähnte Telefonat bzw. die Auszahlung der IV-Rückzahlung sind bereits vor 3-4 Monaten erfolgt.


    Das Sozialamt beruft sich auf den Gesetzesartikel "ungerechtfertigte Bereicherung" und wir fragen uns auch hier ob das korrekt ist. Denn er hat ja nie Sozialhilfegelder unrechtmässig empfangen.


    Und diesem Fall hat das Sozialamt gegenüber der IV falsche Angaben gemacht. Nun wird er bestraft, da er mit einem niedrigerem Einkommen auskommen muss (und dadurch wieder Schulden anhäuft!).


    Ist das im Grunde alles korrekt und muss er nun zähneknirschend hinnehmen sich naiverweise über ein wenig Geld gefreut zu haben? Und als Folge nun unter dem Existenzminimum leben zu dürfen?


    Vielen Dank für eure Hilfen, Gedanken und Feedbacks :)


    Freundliche Grüsse


    David

  • Microsleep


    Es gibt vier Bereiche um welche sich Ihr Bruder kümmern muss:


    1) Rückerstattungsforderung für die bezogene Sozialhilfe


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    Die Verrechnung der Rückerstattungsforderung für die in der Vergangenheit bezogenen Sozialhilfe mit der aktuellen Sozialhilfe zu überprüfen und sich gegen diese zu wehren. Dieser Bereich betrifft das Sozialhilferecht des Kantons, in dem Ihr Bruder Sozialhilfe bezogen hat und welcher nun die bezogene Sozialhilfe zurückfordert. Da kann Ihnen die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht mit einer kostenlosen telefonischen Beratung und Vertretung helfen. Wenn Ihr Bruder im Kanton Bern wohnt, kann ihm auch die Actiobern mit einer kostenlosen Beratung helfen. Das Sozialhilferecht ist kantonales Recht. Wenn Sie nicht angeben, in welchem Kanton Ihr Bruder Sozialhilfe bezogen hat, weiss man nicht in welchem Sozialhilfegesetz und in welcher Sozialhilfeverordnung von welchem Kanton man nachschauen muss, unter welchen Voraussetzungen eine Pflicht zur Rückerstattung von Sozialhilfe besteht und unter welchen Voraussetzungen die Rückerstattung von Sozialhilfe erlassen werden kann. In der Regel muss Sozialhilfe für jenen Zeitraum zurückerstattet werden, für den man rückwirkend Leistungen von anderen Sozialversicherungen erhält (zum Beispiel Renten der IV, Renten einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge [Pensionskasse]) oder Ergänzungsleistungen). In manchen Kantonen muss sonst rechtmässig bezogene Sozialhilfe nur zurückerstattet werden, wenn man durch eine Erbschaft, Schenkung oder sonst zu einem höheren Vermögen gekommen ist. In manchen Kantonen reicht es aber schon, dass man später wieder ein gewisses Einkommen oder recht tiefes Vermögen erreicht um rechtmässig bezogene Sozialhilfe zurückerstatten zu müssen.


    2) Antrag auf eine Invalidenrente der beruflichen Vorsorge einreichen


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    Wenn Ihr Bruder zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit bei einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge (zum Beispiel bei einer Pensionskasse) versichert war, muss er dort einen Antrag auf eine Invalidenrente der beruflichen Vorsorge einreichen. Ob er bereits in der Kündigungsfrist war oder nicht und ob der Arbeitgeber noch eine Lohnfortzahlungspflicht hatte oder nicht mehr spielt keine Rolle, es spielt nur eine Rolle, dass das Arbeitsverhältnis noch nicht durch Ablauf der Kündigungsfrist beendet war.


    3) Verfügung über den Anspruch auf jährliche Ergänzungsleistungen überprüfen


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    Ihr Bruder sollte die Verfügung über den Anspruch auf jährliche Ergänzungsleistungen und die dieser Verfügung beiliegenden Blätter mit der Berechnung der Höhe der jährlichen Ergänzungsleistungen für die verschiedenen Monate und allfällige Drittauszahlungen der Nachzahlung der jährlichen Ergänzungsleistungen an das Sozialamt als Rückerstattung für während dem gleichen Zeitraum, für den rückwirkend ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen besteht bezogene Sozialhilfe von einem Spezialisten überprüfen lassen. Ich habe das schon oft gemacht und man findet oft Fehler und muss sich dann rechtzeitig innerhalb der Frist für eine Einsprache eine Einsprache gegen die Verfügung einreichen. In der Regel ist die Summe aus dem monatlichen Betrag einer ganzen Rente der IV und dem monatlichen Betrag der jährlichen Ergänzungsleistung höher als der monatliche Betrag der Sozialhilfe, sodass die Differenz an Ihren Bruder ausbezahlt werden muss.


    4) Antrag auf Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten über die Ergänzungsleistungen


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    Sobald Ihr Bruder die Verfügung über den Anspruch auf jährliche Ergänzungsleistungen erhalten hat, kann er bei der für die Ergänzungsleistungen zuständigen Behörde einen Antrag auf während dem Zeitraum für den er rückwirkend Ergänzungsleistungen erhält angefallene Krankheits- und Behinderungskosten einreichen (es ist egal ob die Sozialhilfe diese Kosten für Ihren Bruder bezahlt hat oder ob Ihr Bruder diese Kosten selbst bezahlt hat). Ihr Bruder muss diesen Antrag innerhalb von 15 Monaten nach dem Erhalt der Verfügung über den Anspruch auf jährliche Ergänzungsleistungen einreichen. Das sind Kosten für bei der Grundversicherung der Krankenversicherung versicherte Leistungen, welche Ihr Bruder (oder das Sozialamt für ihn) wegen der Franchise oder dem Selbstbehalt bezahlen musste und welche er mit Kopien der Leistungsabrechnungen der Krankenkasse nachweisen kann. Normalerweise ist entscheidend, dass das Datum der Behandlung im dem Zeitraum war für den er nun rückwirkend Ergänzungsleistungen erhält. Das sind auch Kosten für den Zahnarzt, welche Ihr Bruder (oder die Sozialhilfe) bezahlten musste, wenn diese keine Versicherung für ihn bezahlt oder vergütet hat. Falls Transportkosten zur nächstgelegenen Behandlungsstätte oder Kosten für Rettungstransporte angefallen sind, können auch diese vergütet werden. Falls Kosten für die Pflege des Bruders angefallen sind, kann auch für für diese ein Antrag eingereicht werden. Die Details sind in einem kantonalen Gesetz bzw. in einer kantonalen Verordnung geregelt.


    5) Steuererklärung für das Jahr in dem die Nachzahlung der Rente der IV erfolgt ist


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    Wenn Ihr Bruder einen rückwirkenden Anspruch auf eine Rente der IV ab einem Zeitpunkt hat, welcher vor dem 1. Januar 2021 liegt und die Nachzahlung der Rente der IV somit nicht nur das Jahr 2021 betrifft, muss Ihr Bruder dies Anfang 2022 bei der Steuererklärung für das Jahr 2021 die Nachzahlung der Rente der IV in einer speziellen Zeile "Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen" eintragen und der Steuererklärung eine Kopie der Verfügung über den rückwirkenden Anspruch auf eine Rente der IV beilegen. Zudem muss Ihr Bruder auf der Verfügung über den rückwirkenden Anspruch auf eine Rente der IV kontrollieren ob und wie viel von der Nachzahlung nicht an Ihn, sondern an andere Versicherungen oder Behörden bezahlt wurde. Den Teil der Nachzahlung der Rente der IV, welcher rechtmässig als Rückerstattung für bezogene Sozialhilfe an das Sozialamt der Gemeinde ausbezahlt wurde, darf er bei der Steuererklärung nicht vom Bruttobetrag der Nachzahlung der Rente der IV abziehen, weil die damals bezogene Sozialhilfe kein steuerpflichtiges Einkommen war und deshalb auch Rückerstattungen von Sozialhilfe nicht vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogen werden dürfen. Er darf aber Teile der Nachzahlung der Nachzahlung der Rente der IV, welche an Versicherungen als Rückerstattung für Leistungen dieser Versicherungen bezahlt wurden (zum Beispiel Rückerstattung von Taggeldern einer Krankentaggeldversicherung, Rückerstattung von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung) ausbezahlt wurden, vom Bruttobetrag der Nachzahlung der Rente der IV abziehen und nur den Nettobetrag in der Steuererklärung eintragen, weil die damals bezogenen Leistungen dieser Versicherungen steuerpflichtiges Einkommen war und deshalb auch Rückerstattungen dieser Leistungen vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogen werden dürfen. Ich habe Erfahrung in der Erstellung von Steuererklärungen für Personen, welche eine Nachzahlung von Renten der IV mit Rückerstattungen von Leistungen von Versicherungen oder Sozialhilfe erhalten haben.


    https://www.proinfirmis.ch/beh…nd-kapitalleistungen.html


    6) Antrag auf Erlass der direkten Bundessteuer für 2021 und auf Erlass der Staats-, Gemeinde- und Kirchensteuer für 2021 prüfen


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    Ihr Bruder sollte überprüfen, ob sein Einkommen und Vermögen die Grenzen für den Anspruch auf Erlass der direkten Bundessteuer und der Staats-, Gemeinde- und Kirchensteuer für 2021 erfüllt. Falls die mutmasslichen Steuern höhere als die bereits für die Steuern für das Steuerjahr 2021 vorausbezahlten Steuern sind, ist vielleicht ein Erlass der Steuern möglich. Ich habe auch darin Erfahrung. Man sollte vorsichtig sein und zuerst prüfen ob man überhaupt die Voraussetzungen für den Erlass der Steuern erfüllt bevor Ihr Bruder den Antrag einreicht, weil es sein kann, dass Ihr Bruder dem Steueramt die Kosten für das Verfahren um Erlass der Steuern bezahlen muss, wenn Ihr Bruder die Voraussetzungen für den Erlass der Steuern nicht erfüllt und sein Antrag auf Erlass der Steuern abgelehnt wird.