Wer will die Energiewende überhaupt?

Übersicht der Foren

Zur Liste der Foren gelangen Sie hier: Foren

Möchten Sie einen neuen Beitrag erstellen, wählen Sie bitte ein Forum aus der Foren-Liste und klicken sie auf die Schaltfläche "Neues Thema" oben auf der rechten Seite.

  • Ich schüttle schon lange den Kopf über die Energiepolitik in diesem Land, die öffentlichen Diskussion darüber hat bisher weitgehend gefehlt, zumindest in der breiten Bevölkerung. Das ist mit der drohenden Energielücke durch Krieg und Gasknappheit glücklicherweise anders geworden. Im Verein VESE engagieren sich Menschen, die sich schon seit langem für eine breite Nutzung der Solarenergie einsetzen. Dort hat sich einige Expertise angesammelt, von der alle Interessierten an Tagungen und in spannenden Diskussionen lernen dürfen (Wer sich über Solaranlagen informieren möchte, ist hier an einer guten Adresse: https://www.vese.ch.). Die geballten Erfahrungen der Solarpioniere zeigen vor allem eines: Staatliche und privatwirtschaftliche Energiekonzerne wollen sich das Geschäft durch viele kleine Solaranlagenbetreiber nicht schmälern lassen, weshalb sie bisher eine PV-Verhinderungspolitik betrieben haben. Warum sonst war es bis heute unmöglich, eine Solaranlage zu installieren und wirtschaftlich auch tatsächlich davon zu profitieren? Als Besitzer zahlt man jährlich Vermögenssteuer auf dem Anlagenwert, Einkommenssteuer auf dem Verkaufswert des Stroms und gleich nochmals Einkommenssteuer auf dem - durch den Anlagenwert gestiegenen - Eigenmietwert des Hauses. Der Verkaufspreis des Solarstromes lag bisher weit unter dem Zukaufspreis des Netzstromes, vom Netztarifzuschlag ganz zu schweigen. Wer seine Solaranlage mit einer schwarzen Null betreiben kann, nachdem er hohe Investitionskosten gestemmt hat, muss schon zufrieden sein. Dieses demotivierende, weil risikoreiche und initial kostspielige Nullsummenspiel wird erst besser, wenn a) Solarstrom zu einem substanziell höheren Tarif abgenommen wird und b) genügend Fördergelder für Solaranlagen zur Verfügung stehen. Letztere könnten sinnvollerweise als rückzahlbare Darlehen erfolgen und müssten so hoch ausfallen, dass sich auch wirklich jeder eine Solarananlage baut, der ein geeignetes Dach oder eine geeignete Fassade dafür hat. Wollen wir den Solarstrom landesweit stark ausbauen, dann braucht es eine Finanzierungsstrategie für alle. Ziel muss sein, dass jeder, der ein geeignetes Hausdach hat, ohne grosse Hürden eine Solaranlage darauf installieren lassen kann - zum Wohl aller. Warum nicht einen Topf eröffnen mit Kredit für alle, die sich die Anlage nicht leisten können? In diesen Topf flössen die Gewinne der Solaranalagenbetreiber so lange, bis der Kredit abbezahlt ist. Damit das funktionieren kann, müsste die Rechnung neu gerechnet werden. Mir scheint, dass der Wille dazu bisher gefehlt hat. Ursprünglich war die Schweiz ein Solarstrom-Pionierland. Dank der Verhinderungspolitik der Energieriesen blieb das nicht so. Mein trauriges Fazit: In der Schweiz kommt immer zuerst das Geld respektive das Business, dann erst kommen Ökologie, Menschenrechte, Gleichberechtigung, Gesundheit etc. Viel Gerede über gute Absichten ist hingegen nur heisse Luft.


    Wollen wir die Energiewende? Warum passen wir die Rahmenbedingungen dann nicht so an, dass wir sie auch bekommen?

  • Sowas_auch


    Für diesen Text gebührt ihnen ein ganz dickes Danke!

    :thumbup:


    Der Forist Transmitter hatte in anderen Threads zu Energiewende und Klimawandel mehrfach darauf hingewiesen, dass die Rahmenbedingungen, um eine Energiewende zu fördern, in der Schweiz völlig ungenügend sind.

    Er hatte aber nie im Detail erklärt, warum diese ungenügend sind.


    Also vielen Dank, dass sie hier dieses Thema mal aufgreifen!

  • Gerne. Ich wundere mich manchmal auch, dass ich bisher alleine dastehe mit diesem Lösungsvorschlag und freue mich darum über Ihren Daumen hoch umso mehr. Allerdings war ich nie die lauteste Ruferin in der Wüste. Trauen sich andere nicht? Wer zinsfreie Darlehen für Hausbesitzer fordert, schürt ja schnell einmal die Neiddebatte. Dabei ginge vergessen, dass es nicht um Selbstbereicherung für die Hausbesitzer geht, sondern um eine neu gedachte, sinnvolle Energieversorgung für das ganze Land. Der Raum gehört ja irgendwie allen, auch wenn das Land in Kleinstparzellen an Einzelne verkauft wurde. Er wird nie mehr Raum werden, wir müssen die Nutzung dieses Raumes darum gemeinsam denken und angehen. Hausbesitzern einfach eine Pflicht zur Solaranlage aufzubrummen wäre sehr unsozial, denn viele können sie sich schlicht nicht leisten, sie sind eh schon verschuldet durch ihr Haus. Konstruktive und faire Lösungen sind gefragt.

  • @Sowas


    Und noch meine lapidare Kurzantwort auf ihre Frage im Titel dieses Threads:

    Energiewende wollen diejenigen, die auch bereit sind die Verantwortung für ihre gegenwärtigen Handlungen und Unterlassungen zu übernehmen.


    Diejenigen, welche sich nicht für eine Energiewende engagieren, oder gar dagegen lobbieren, wollen ihre Verantwortung den kommenden Generationen überbinden.


    Für Viele war dies in der Vergangenheit das erfolgreiche Geschäftsmodell.


    Doch in Tat und Wahrheit sind sie Diebe. Und das von der übelsten Sorte. Denn sie machen es legal und folglich zu Recht.

    :cursing: :evil:

  • rodizia


    ich glaube die mehrheit der menschen (annahme) interessiert sich nicht fuer die energiethemen wie auch nicht fuer viele andere themen weil sie mit dem leben an sich schon genug gefordert sind.


    meiner meinung nach sind die politik, die konzerne und die lobbies verantwortlich fuer diese themen und nicht das volk (top-down ansatz).


    dasselbe thema betrifft auch die versorgung mit nahrungsmitteln. wenn der bürger sich schon fast nicht mehr gesund ernähren kann weil convenience food so stark angeboten wird bzw. fast alles prozessiert ist, dann kann er sich wenig dagegen wehren. da hat die familie zu hause und das über die runden kommen einfach prioritaet.

    ausserdem gerade im nahrungsmittelbereich wird das bedürfnis nach weniger stress beliefert indem man nicht noch 2 stunden in der küche stehen muss um die hungrigen mäuler zu stopfen, nachdem man selbst 8 stunden geschuftet hat und von einem erwartet wird, dass man 24/7 funktioniert.


    die energiewende wird wie die nahrungsmittelwende erst mit einer revolution klappen wenn wir unser leben umstellen von einer industriellen gesellschaft zu einer lebensgesellschaft.

  • Man muss nicht Experte sein, um sich für die Energiewende zu interessieren. Ich bin es jedenfalls nicht. Es reicht, wenn man gerne träumt von einer besseren Welt, wenn man gerne kreativen Gedanken nachhängt, wie eine bessere Welt gestaltet werden könnte. Es braucht einen kritischen Blick auf die Welt und Idealismus, dass wir es besser hinbekommen können. Oder Liebe zum Leben. All das wird Menschen antreiben können, sich mit Themen wie der Energiewende zu beschäftigen und diese auch wirklich zu wollen.

    Ich kann es drehen und wenden, wie ich will, lande doch wieder bei der Kapitalismuskritik Denn die Geschäftli-Macher im Energiesektor stellen Profit über lebensfreundliche Lösungen. Ja, ich weiss, ist ein bisschen eine platte Schlussfolgerung von mir. Und so gar nicht hilfreich, um einen Lösungsansatz zu finden.


    @ Mupli: was hat das rot-grüne Denken mit Brainwashing zu tun?

  • Sowas_auch


    Vielleicht haben sie es bereits mitbekommen. Die Bürgerlichen haben im Nationalrat die Solaroffensive ausgebremst.

    Obwohl eigentlich allen Parteien klar ist, dass ein Zubau von erneuerbaren Energien ein "Muss" ist, stellt insbesondere die SVP die individuellen Rechte über die Bedürfnisse der gesamten Gesellschaft.

    Diese egoistisch geprägte Ideologie macht mir je länger je mehr Mühe.

    Mir ist ein staatlich verordneter Zwang manchmal auch ein ziemlicher Greuel. Dennoch gibt es aus meiner Sicht auch Situationen, in denen eine solcher Zwang sein muss.

    Im konkreten Fall der Solardachpflicht für Private hätten sich die Bürgerlichen auch dafür einsetzen können, dass die Rahmenbedingungen so angepasst werden, dass es für die armen Hausbesitzer nicht zu untragbaren Lasten kommt.

    Doch die Opposition der Bürgerlichen entspringt wohl weniger einer sachlichen Argumentation, sondern eher mehr parteipolitischen Interessen. Die SVP kann ja nicht anders als gegen die Linken und Grünen Opposition machen.

    Sonst verlieren sie ihr Gesicht.

  • mupli


    ich muss ihnen leider zustimmen denn ich erlebe selten einen meinungsaustausch in dem es lediglich darum geht meinungen einfach nur auszutauschen. meist wird versucht mit allen mitteln das gegenüber von seiner meinung zu überzeugen, um jeden preis. das wird dann immer persönlich. leider. dabei darf jeder seine meinung haben. ob diese gut und recht oder falsch und unrecht ist, ist nicht relevant. andere von seiner meinung zu überzeugen funktioniert in den seltensten faellen. in der regel klafft man aneinander und dann wird jede diskussion unmöglich.

    mein plädoyer: lasst die leute ihre meinungen haben, einfach akzeptieren ohne versuchen sie aendern zu wollen. zeichnet sich eine änderung ab, aendern sich die meinungen in der regel von alleine. es ist ein prozess. erkenntnis passiert nicht von jetzt auf morgen sondern schritt fuer schritt.

  • Danke für die Antwort, Mupli. Das ist spannend! Ich diskutiere noch nicht lange im Beobacherforum mit. Habe angefangen, weil ich die Meinung anderer zu einem Problem von mir hören wollte - und ja, auch um etwas Unterstützung zu finden (sprich, mich in meiner Meinung bestätigen zu lassen :saint: ). Lange habe ich nur gelesen, zu viele Beiträge schienen mir verschwendete Worte, als dass ich eigene dazu beisteuern wollte. Ehrlich gesagt habe ich mich bereits selber gefragt, warum ich nun doch in verschiedene Diskussionen eingestiegen bin. Vielleicht um etwas zu geben, nachdem ich etwas bekommen habe. Ich habe keine Missionsader, glaube ich, andere zu überzeugen ist längst nicht immer mein Motiv. Eher glaube ich an die Schwarmintelligenz. Ich lerne in der Diskussion und gehe davon aus, dass meine Diskussionspartner auch lernen. Das ist mein Antrieb. Diskussion soll nicht Kampf der Meinungen sein wie in der Arena, wo der aggressiver Argumentierende gewinnt, Diskussion soll bereichern. Je nach Thema ist es mir zwar schon wichtig, einfach mal etwas klarzustellen. Es geht nicht immer um Meinungen, sondern auch darum, gemeinsam etwas zu erkennen.


    Es ist schon so, man darf öffentlich nicht immer alles sagen, was man denkt. Aber man muss ja auch nicht immer nur nachschwatzen, was die aktuellen Meinungsführer einem vorkauen. Da ecke ich leider oft genug an, brüskiere andere mit einem sperrigen Gedanken, der sie so herausfordert, dass sie sich angegriffen fühlen. Das sind dann meine Fettnäpfchen.

  • Sowas_auch


    Ich habe so ziemlich jeden ihrer Beiträge gelesen. Ich glaube nicht, dass sie sich scheuen müssen ihre Meinung zu schreiben. Ganz im Gegenteil.


    Ihre Meinung öffentlich kund zu tun wird sicher nicht kritiklos abgehen.


    So lange die Kritik sachlich fundiert ist, ist es ein Teil eines konstruktiven Prozesses. Und dies wäre aus meiner Sicht auch das Ziel. Oder wenigstens der Weg dorthin....


    Es ist aber auch offensichtlich, dass nicht immer alle Teilnehmer in einer Diskussionsrunde offen sind für sachliche Diskussionen. Und schnell bereit sind von der sachlichen auf die persönliche Ebene zu wechseln. Das Meistens dann, wenn ihnen die sachlichen Argumente ausgehen. (>>> Abwehrhaltung >>>> Gegenwehr).


    Nach meiner Erfahrung hat die schweigende Mehrheit (Mitläufer) selten dazu beigetragen eine konstruktive Entwicklung hervor zu bringen.


    Es waren immer die Vor- und Nachdenker die letztlich eine Führungsposition innehatten. Doch diese Position entstand auch immer aufgrund einer ehrlichen Diskussion.

    Wer nicht bereit ist zu einer ergebnisoffenen und ehrlichen Diskussion, der wird sich früher oder später am Ende der "Schlange" wieder finden.

  • Zitat

    "Solange die Kritik sachlich fundiert ist, ist es ein Teil eines konstruktiven Prozesses. Und diese wäre aus meiner Sicht auch das Ziel."

    Da gebe ich Rodizia recht. Ich wollte aber eigentlich etwas anderes mit meiner Frage nach dem weitgehend fehlenden Engagement der Energieriesen für eine echte Energiewende. Eine Diskussion über Sinn, Zweck und Kultur des Diskutieren ist zwar auch spannend, ich persönlich falle aber bei solchen Themen immer mal wieder ins "Schwadronieren". Was nichts bringt. Auf die Sache fokussierte und inhaltlich hilfreiche Beiträge könnten hingegen ein neues Feuer entfachen. In meiner *Kompetenzkiste" finde ich keinen Ingenieur ;), leider. Darum nähme es mich schon Wunder, ob andere über ähnliche Lösungen nachdenken wie ich, so dass man sie vielleicht sogar gemeinsam voranbringen könnte?


    Also: wie können wir bottom up den Willen zur Energiewende bei den Entscheidungsträgern im Parlament so lange und so sehr stärken, bis sie endlich ins Handeln kommen? Das ist schon auch unser Job in einer Demokratie. Ich glaube an die Macht der guten Ideen und der gemeinsam erarbeiteten Lösungen. Welche "Verlockungen" könnte man konstruieren? Es geht ja immer ums Geld. Macht es da Sinn, z.B. eine Initiative zu lancieren mit einer gut durchdachten Strategie zum Ausbau vieler dezentraler, alternativen Energieerzeuger und Energiespeicher? Jetzt hätten wir Wind in den Segeln!

  • Sowas_auch


    Die Schweizer Energieriesen gehören mehrheitlich den Kantonen. Sie sind folglich in der Hand der kantonalen Politiker. Diese bestimmen im Wesentlichen über die wirtschaftliche Strategie dieser Konzerne.

    So lange die Bevölkerung Politiker wählt, welche eine Energiewende behindern, statt befördern, wird sich so schnell nichts ändern.

    Die Bevölkerung hätte es schon lange in der Hand gehabt daran etwas zu ändern. Doch fehlte es bisher anscheinend am Verständnis für die Notwendigkeit.


    Wie oft und wie sehr es am Verständnis fehlt, kann man anhand der verschiedenen Threads und Beiträge zum Thema Klimawandel und Energiepolitik im Beobachterforum sehen.

  • @ Rodizia: Danke für den Hinweis. Ich werde mich mal in diese Threads einlesen, scheint schon viel gesagt worden zu sein. Aber hier doch noch meine unbedarften Fragen:


    Wenn wir gesamtschweizerisch eine dezentralisierte, ökologische Energieversorgung anstreben, wird sich der Ständerat quer stellen, solange sich die Kantone nicht von den satten Gewinnen der Energieriesen trennen können? Man müsste also in den Kantonen die Räte bearbeiten, damit zunächst ein Kanton mit gutem Beispiel vorangeht und vormacht, wie es - gewinnbringend für alle ! - funktionieren könnte. Energetische Lösungen müssen gleichzeitig aber auch immer das gesamte Stromnetz im Auge behalten, bis hin nach Europa.


    Wie ist das mit dem Dezentralisieren? Bisher wird die Kostenlast für Energie auf viele Kleinkunden verteilt, Grossskunden tragen natürlich auch mit, bekommen aber bessere Konditionen via Vertragsfreiheit. Richtig? Wird die Stromversorgung dezentralisiert, dann wird weniger Strom zentral bezogen, die Kleinkunden tragen damit weniger Kosten und das Geschäft wird schwieriger. Natürlich braucht es immer noch eine zentrale Dienstleistung, die sich zudem wandelt, aber der Markt wäre definitiv ein anderer. Wie müsste ein dezentraler Markt organisiert werden, damit a) die Kleinkunden die zentralen Lasten in einem vernünftigen Mass mittragen, b) die dezentralen Kleinproduzenten zu fairen Konditionen am Markt teilnehmen können und nicht übervorteilt werden und c) der Markt für alle bisher an ihm Beteiligten attraktiv bleibt? Gibt es da Ideen?

  • Sowas_auch


    PS:

    Die betreffenden Threads sind teilweise ellenlang. Es wird viel Zeit beanspruchen diese durch zu lesen.

    Diese Threads gehen die Thematik auf vielfältige Art und Weise an.


    Persönlich glaube ich, dass sie besser mit Bedarf aber relativ unbefangen die Fragen stellen, die sie speziell interessieren.

    Ich selbst bin fachlich Laie, aber an der Thematik seit Langem Interessiert. Und habe die Threads daher mitverfolgt.

    Leider haben sich zwei Foristen, die in den anderen Threads viel geschrieben hatten, sich aus dem Forum etwas zurückgezogen.


    Ich kann versuchen, in Anlehnung an diese betreffenden Threads, ihre Fragen etwas zusammengefasst zu beantworten.