Ein beeindruckendes Szenario vom Leben nach dem Tod entwirft der Philosoph Rudolf Steiner (einer größeren Öffentlichkeit ist er als Erfinder der Waldorf-Pädagogik und der biologisch-dynamischen Landwirtschaft bekannt). Seine aus "geistigem Sehen" gewonnenen Erkenntnisse vermittelte der Begründer der Anthroposophie zunächst in geheimen Vorträgen. An der Schwelle des Todes, so Steiner, brechen der "Ich-Zusammenhalt" und das gewohnte Weltbild komplett zusammen. Zurück bleibt eine immaterielle Substanz, verwirrt und verloren wie ein frisch geschlüpftes Küken. In einem rötlich-feurigen Licht erscheinen diesem staunenden Etwas Bilder des vergangenen Lebens.
Auch in tiefer Trance oder in Drogenritualen, mit deren Hilfe sich zum Beispiel Schamanen auf ihre "Jenseitsreisen" begeben, tauchen Bilder auf, die den klassischen Archetypen des Todes verblüffend ähneln. Unter strengen Auflagen sind in den USA wieder Forschungen mit der bewusstseinserweiternden Droge LSD erlaubt, etwa als Therapeutikum für todkranke Patienten - bei uns für psychische und lebensbedrohliche Erkrankungen.
Viele Testpersonen erleben dabei, dass sich etwas Immaterielles vom physischen Leib trennt. Häufig beschreiben sie es als eine Art Körper im Körper, ein Konzept, das übrigens der ayurvedischen und der anthroposophischen Medizin zugrunde liegt. Während den "Jenseitsreisen" bleibt nach Aussage der Schamanen der feinstoffliche Körper mit dem physischen Leib über eine Art Nabelschnur verbunden, die erst nach dem Tod abreißt.
Doch so beeindruckend Trance- und Drogenvisionen oder Nahtoderfahrungen auch sind: beweisen können sie nichts. Sie sind Teil des Lebens, gehören zum Bewusstsein eines lebenden Menschen.
Das Konstrukt einer immateriellen Seele ist wissenschaftlich nicht haltbar, erklärte vor einigen Jahren der Hirnforscher Wolf Singer vom Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt. Und Thomas Metzinger, Professor für theoretische Philosophie: Die Vorstellung der Fortexistenz des bewussten Selbst nach dem physischen Tod wird jetzt so unplausibel, dass der emotionale Druck auf Menschen, die an ihren traditionellen Weltbildern festhalten wollen, nur schwer erträglich werden könnte.
Auch von einem nachtodlichen Zwischenreich ist häufig die Rede: einem Ort, an dem die Seele herumirrt, bis - bestenfalls - ihre Läuterung abgeschlossen ist. Sogar Jesus, die strahlende Erlöserfigur des Christentums, musste nach dem Kreuzestod diese Erfahrung auf sich nehmen. Abgestiegen in die Hölle, am dritten Tag auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel, heißt es im katholischen Glaubensbekenntnis. Endziel Himmel?
Gibt es ein Leben nach dem Tod? Oder anders gefragt, kann diese Frage überhaupt einleuchtend beantwortet werden?