Todesstrafe?

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  • Die Frage aller Fragen rund um Bestrafung und Gerechtigkeit ist die Frage nach der Todesstrafe.

    Gemäss Veritim gibt es beim Strafen drei Ziele: Abschreckung, Sühne und Resozialisierung. Ich bin der Meinung, dass ein Aspekt dabei vergessen ging: der Schutz der Gemeinschaft vor einem Verbrecher.

    Dieser Aspekt rechtfertigt in meinen Augen die Todesstrafe. Dabei geht es nicht um Rache, nicht um Gerechtigkeit und auch nicht um Abschreckung. Es geht lediglich darum, dafür zu sorgen, dass das entsprechende Individuum niemandem mehr schaden kann. Der Begriff Todesstrafe ist in diesem Zusammenhang nicht zutreffend, irgend etwas wie "Präventive Eliminierung" wäre wohl richtiger.

    Natürlich gibt es auch die Variante des lebenslänglichen Wegsperrens. Fraglich ist aber, ob das "humaner" ist als die Person von Staates wegen umzubringen ("umbringen" tönt hart, entspricht aber den Tatsachen). Und was die "Legitimation" des Staates angeht, jemanden umzubringen: es ist die gleiche Legitimation, mit der der Staat einer Person die Freiheit nimmt.

    Wie ist eure Meinung zu diesem Thema?

  • @R. Haenni

    Das Thema Todesstrafe kann hier nicht annähernd abschliessend diskutiert werden. Dazu fehlen wesentliche Voraussetzungen. Ansprechen jedoch, kann man die Problematik schon.

    Alles was hier (nicht nur zu diesem Thema) gesagt wird, können letztlich nur Meinungen und Ansichten sein.

    Ich bin der Überzeugung, dass in unserem Rechtsdenken die Todesstrafe nicht zulässig ist. Ob ein Mensch durch Gesetzgebung oder Willkür, Fahrlässigkeit oder Affekt getötet wird, bleibt im Resultat das Selbe. Wenn wir Tötung unrecht tadeln, dürfen wir diese, in welchem Schutzgefüge auch immer, nicht plötzlich gutheissen. Der finale Charakter der Tötung erlaubt denn auch keinerlei Rehabilitierung eines begangenen Unrechts.

    Es mag sehr viel humaner sein, jemanden schmerzlos zu töten als ihn lebenslänglich seiner Freiheit zu berauben, zu verwahren. Viele Tötungsdelikte basieren aus ähnlichen Motivationen – bleiben dennoch unrecht. Das Verständnis für eine Tat reicht nicht aus, um unrecht zu Recht erwachsen zu lassen. In diesem Sinne reicht auch das (Ein-)Verständnis für die Todesstrafe nicht aus, um sie zu legitimieren.

    Ein Gesetz, das die Todesstrafe vorsieht, setzt lediglich den notwendigen rechtlichen Rahmen hierfür. Ob wir Menschen dazu wirklich legitimiert sind, muss jeder einzelne für sich beantworten können.

    Mit unseren Gesetzen und Paragraphen versuchen wir dieses oder jenes zu schützen. Schaut man in die Gesetzbücher, so nähern wir uns dieser Aussage 95%, wenn nicht gar zu 100%. Würden die Gesetze das erreichen, wofür sie (ihres Textes nach) gedacht waren, könnten sie allesamt abgeschafft werden. Stattdessen aber werden es immer mehr und mehr und mehr….. Daher wird auch die Todesstrafe "zum Schutze der übrigen Menschen" nichts beitragen können.

    Das alles ändert nichts an der Tatsache, dass wir uns ab und zu in die Lage versetzt sehen, die Todesstrafe als die einzige richtige Gerechtigkeit zu empfinden.

    veritim

  • Hallo Veritim

    Deine Ausführungen sind mir etwas gar schwammig. Und deine Argumentation ist für mich nicht durchgängig. Wenn du etwa schreibst:

    "Ich bin der Überzeugung, dass in unserem Rechtsdenken die Todesstrafe nicht zulässig ist."

    dann ist es einfach so, dass mit Einführung der Todesstrafe dieselbe in unserem Rechtsdenken zulässig wäre.

    Weiter:

    "Ob ein Mensch durch Gesetzgebung oder Willkür, Fahrlässigkeit oder Affekt getötet wird, bleibt im Resultat das Selbe."

    Nein, das glaube ich nicht! Würde eines deiner Kinder von langer Hand willkürlich geplant umgebracht oder würde es bei einem Verkehrsunfall fahrlässig getötet, wäre das weder für dich noch für die Gesellschaft das Selbe!

    "Wenn wir Tötung unrecht tadeln, dürfen wir diese, in welchem Schutzgefüge auch immer, nicht plötzlich gutheissen."

    Wenn dieser Grundsatz so wäre, mit welchem "Schutzgefüge" rechfertigst du dann ein mehrjähriges Einsperren eines Menschen?

    "Der finale Charakter der Tötung erlaubt denn auch keinerlei Rehabilitierung eines begangenen Unrechts."

    Das stimmt, ist jedoch nur die eine Seite dieses "finalen Charakters". Die andere Seite hat einer so ausgedrückt: "Die Todesstrafe ist die einzig bekannte Strafe die eine Rückfallquote von 0,00% hat!"

    Auch deine Aussage:

    "In diesem Sinne reicht auch das (Ein-)Verständnis für die Todesstrafe nicht aus, um sie zu legitimieren."

    Doch, genau das tut es!

    Dass man Gesetze nicht brauchen würde, wenn man alle befolgen würde, ist eine unerwartet tiefschürfende Einsicht ('tschuldigung) und trägt nichts zum Thema bei.

  • Hallo R. Haenni

    Deine Ausführungen habe ich wiederholt lesen müssen und konnte mir selbst nicht einig werden. Was Veritim und Du eingebracht haben reisst mich hin und her.

    Spielt es wirklich eine Rolle, durch welche Gewalteinwirkung jemand zu Tode kommt? Du meinst "ja", Veritim sieht im Resultat keinen Unterschied, denn "tot ist tot". Liest sich sehr gefühlslos, kalt und abgestumpft, ist letztlich aber schon nicht zu widerlegen. Mich nähme Wunder zu erfahren, wieso und worin Du einen Unterschied siehst, wie man durch Gewalteinwirkung das eigene oder das Leben eines Angehörigen verliert. Ich sehe emotional einen Unterschied im Alter des Opfers. Wird ein junges Leben "ausgelöscht" geht mir dies tiefer als wenn's eine Biografie trifft, die "gelebt hat" - das Gesetz nimmt hierauf keine Rücksicht, es ist allein eine Frage des Empfindens. Auch der Aspekt der Hilflosigkeit spielt für mich mit, weshalb ich auch immer wieder ganz unangenehm berührt werde, wenn Tiere geschlachtet werden. Wir Menschen nehmen uns das Recht zu bestimmen, wann welches Leben zu Ende gehen soll. Es fehlt mir hierbei das Schicksalhafte, dies macht die Gewalt noch grösser. Dass unsere Gesetze das Metzgen nicht unter Strafe stellen ist unumgänglich. Für mich ist aber "Leben" etwas Einmaliges, Unbeschreibliches und deshalb mit nichts Vergleichbares. Schon eine einzelne Zelle (zu der wir emotional auch deshalb keinen Bezug haben, weil wir sie gar nicht wahrnehmen ausser beim Mikroskopieren) verliert etwas nicht wieder Erbringbares vom Wechsel aus dem Leben zum Tod. Und so geht's eben auch mit den Vielzellern. Mit dem Tod geht etwas Unbeschreibliches, etwas nicht Erfassbares verloren.

    Und hierin sehe ich einen Unterschied, was die Art der Bestrafung angeht. Man kann jemandem von Gesetzes wegen die Freiheit nehmen und hat stets die Möglichkeit, diese wieder zurück zu geben. Nimmst du jemandem das Leben, gibt's nichts mehr zurück zu geben. Im Anschluss an meine oben angeführten Gedanken ist auch dieses "Entziehen von Freiheit" eine Gewalteinwirkung des Staates, die hilflos macht und schon viel Vertrauen in unsere Rechtsprechung voraussetzt. Der Verurteilte, insbesondere der zu Unrecht Verurteilte, ist einer Macht ausgesetzt - und der Verurteilende ist mit einer Machtfülle versehen, die zu hinterfragen eine Kettenreaktion an Ängsten auslösen kann.

    Geniesse die Festtage und nimm meinen Dank für das Aufwerfen deines Gedankens entgegen.

    ramstein

  • @ R. Haenni als Ergänzung:

    Du hast zur Finalität der Todesstrafe zitiert

    "Die Todesstrafe ist die einzig bekannte Strafe die eine Rückfallquote von 0,00% hat!"

    was mich deshalb sinnlos dünkt, weil "Strafe" und "kriminelle Prognosen" miteinander nichts zu tun haben. Verfolgt man die Logik dieser Aussage weiter, sollten wir - da ja jeder potentiell Täter werden könnte, gewollt oder ungewollt - vorsorglich jeden von uns beseitigen, so dass niemand mehr anderen (die's ja dann auch nicht mehr gäbe) schaden kann. Eine verrückte Überlegung.

    Sollte ich etwas übersehen haben, wäre ich auch um deine Stellungnahme hierzu wie zur vorhin gestellten Frage "wieso und worin Du einen Unterschied siehst, wie man durch Gewalteinwirkung das eigene oder das Leben eines Angehörigen verliert" dankbar.

    ramstein

  • Ihre Antwort an R. Haenni habe ich mit Interesse gelesen

    Dabei wurde mir bewusst, wie vielfältig man das Handeln der Menschen betrachten kann und wie wichtig dabei der Standpunkt ist, von dem aus man betrachtet.

    Viele sind gegen die Todesstraffe, befürworten aber den Schwangerschaftsabbruch im Rahmen des Gesetzlich erlaubten. Ich würde die Todesstraffe eher befürworten mit der Begründung, dass der dazu Verurteilte ja die Chance sich Gesellschaftsfähig zu verhalten gehabt hat, im Gegensatz zum Ungeborenen.

    Wer würde einem Raubtier das jagen und töten von Beute absprechen? Ist der Mensch von Natur aus nicht ein Allesfresser? Ist es da nicht Menschlich, wenn er sich einen Teil seines Essens metzget?

    Da Begebenheiten von verschiedenen Standpunkten aus betrachtet werden, werden auch nie Alle zum gleichen Ergebnis kommen. Wer will entscheiden welcher Standpunkt denn der Richtige ist?

  • Vorab meinen Dank an alle, bisher war es eine überraschend sachliche Diskussion zu diesem doch sehr emotionalen Thema!

    @ramstein:

    Ich nehme wie du an, dass Veritim der Meinung ist, "tot ist tot". Das stimmt auch. Ich bin aber der Meinung, dass es eine grosse Rolle spielt, wie Betroffene und die Gesellschaft dazu empfinden. Vier Beispiele:

    1) Anna A. wird nachts auf auf dem Heimweg in einen Caravan gezerrt, misshandelt, vergewaltigt und anschliessend getötet. Sie ist das fünfte Opfer eines Serientäters, der kurz darauf gefasst wird.

    2) Anna A. wird nachts auf auf dem Heimweg auf dem Trottoir von einem schleudernden Auto erfasst und stirbt. Der Fahrer war mehrfach wegen Schnellfahrens vorbestraft und verlor innerorts bei ca. 110 km/h die Kontrolle über das Fahrzeug.

    3) Anna A. wird nachts auf auf dem Heimweg auf dem Trottoir von einem schleudernden Auto erfasst und stirbt. Die eigentlich trockene Strasse war vom verstopften Brunnen überschwemmt worden und vereiste, der Fahrer wurde völlig von der Eisfläche überrascht.

    4) Anna A. wird nachts auf auf dem Heimweg von einem Gewitter überrascht und vom Blitz erschlagen.

    Vier Mal "tot ist tot", aber ich bin sicher, wenn du der Vater von Anna A. bist, sind deine Gefühle recht verschieden.

    Wäre im ersten Fall die Todesstrafe angebracht, insbesondere wenn der Täter als nicht therapierbar gilt?

    Wie ist das im zweiten Fall, wo der Wiederholungstäter bewusst (es war ja nicht das erste Mal) den Tod anderer Menschen in Kauf genommen hat?

    Wie nimmst du den Tod im dritten Fall auf? Muss es einen Verantwortlichen geben? Könnte es wieder passieren, wäre ein Unfall dann zu vermeiden?

    Und im vierten Fall: könntest du einfach sagen: Pech gehabt - oder haderst du mit dem Schicksal?

    Tot ist tot - das stimmt schon. Aber die Konsequenzen daraus sind sehr unterschiedlich.

    Zum Tod selbst habe ich ein anderes Verhältnis als du. Tod gehört zur Natur, ist normal und muss sogar sein, damit es Platz für Veränderungen und Weiterentwicklung gibt. Das Wunder der Einmaligkeit ist absolut - war es nicht Lao-Tse, der gesagt hat: "Du kannst nicht zwei Mal in denselben Fluss steigen!"? Auf diesem philosophischen Level betrachtet gibt es nichts Zwei- oder Mehrmaliges! So betrachtet ist die Einmaligkeit aber nicht nur nichts Besonderes, sondern zwingende Normalität.

    Noch zur Rückfallquote 0,00%: wie im ersten Beitrag geschrieben, ist Todesstrafe ein schlecht passender Begriff. Wenn du -nennen wir es einmal so - die vorsorgliche Exekution anwendest, ist die "Zielgruppe" nicht mehr so gross, auch unter Verbrechern ist sie nicht logischerweise letzte Konsequenz: wie gesagt geht es bei der Exekution darum, den Wiederholungsfall zu verhindern! Fraglich ist dann etwa das Beispiel oben mit dem Raser im Wiederholungsfall...

    Letztlich ginge es dann wohl darum zu sagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit jemand den Tod eines anderen in Kauf nimmt und was wir dagegen tun wollen.

    Der Beitrag ist schon wieder länger geworden als beabsichtigt, aber ich hoffe, ich bin auf die wichtigsten Punkte eingegangen. Sonst fragt einfach nach...

  • @Haenni

    135 Staaten haben die Todesstrafe mittlerweile abgeschafft -aber 62 Nationen halten weiterhin daran fest. Nach einer Serie von Zwischenfällen bei Exekutionen mit entsetzlichen Folgen wird der Ruf nach Abschaffung der Todesstrafe immer lauter.

    In der Schweiz wurde der letzte Mensch im Jahre 2000 mit einem finalen Schuss „hingerichtet“.

    http://home.intergga.ch/blueca…ttungsschuss_landbote.htm

    Wie sollten Schwerverbrecher deiner Meinung nach bei uns in der Schweiz „human“ hingerichtet werden?

    speedy44

  • An R. Haenni

    Gerne nutze ich die Gelegenheit, an mich gestellte Fragen zu beantworten. So willst du wissen, wie ich die vier Fallbeispiele empfinde, ob es vielleicht doch einen Unterschied macht, wie jemand zu Tode kommt.

    Die Fallbeispiele 1-3 sind für mich so ziemlich gleichartig. Ein unschuldiges (so die allgemeine Formulierung in der Presse, aber wenn man hinterfragt "was soll die Einfügung "unschuldig" überhaupt, könnte man locker wieder einen Thread aktivieren) Opfer wurde zu Tode von Autofahrern gefahren. Dass der dritte möglicherweise ein durchaus "anständiger" Fahrer ist und jetzt einfach die Sache nicht mehr im Griff hatte ändert für mich wenig. Denn wer sich ans Steuer setzt, riskiert jemanden zu gefährden durch die beschleunigten Tonnen Masse. Wäre ich der Fahrer, würde ich mir auch bis an die Grenzen des Erträglichen Selbstvorwürfe machen, würde hinterfragen, ob ich denn das Unvorhergesehene nicht hätte sehen müssen, anders hätte reagieren müssen ... Und da ist an sich Strafe in dem Sinn hinfällig, als ich "selbst gestraft" bin mit meinem Gewissen.

    Bei den Fällen 1 und 2 gehst du wohl davon aus, dass die Fahrer rücksichtslos sind, gedankenlos durch die Gegend rasen. Wie diese Raser mit den Folgen eines Unfalls klar kommen, lässt sich wohl generell nicht beantworten. Denen könnte es gehen wie dem aus Beispiel drei. Wenn sie das Ganze kalt lässt, sie verdrängen, einen Menschen (ich trauere heute noch einem vor dreissig Jahren überfahrenen Eichhörnchen nach, wenn ich an der fraglichen Waldpassage vorbei fahre) getötet zu haben, wird wohl auch die Strafe keine Bewusstseinsänderung bringen - erst recht nicht die Todesstrafe. Aber kann man denn jeden rücksichtlosen Menschen einfach weg ins Jenseits befördern? Denn das Problem der Raser ist ja weniger das Rasen, als die allgemein rücksichtslose Haltung. So sass ich gestern in einem Restaurant, in meinem Rücken Mutter, Vater und zwei Töchter, geschätzte 3 und 10 Jahre alt, grauenhaft lautes Geschrei der fröhlichen Kinder, man verstand das eigene Wort nicht, Restaurant war voll ... schliesslich erlaubte ich anständig den Vater zu bitten, die Kinder etwas leiser sich vernehmen zu lassen, den Satz hatte ich nicht zu Ende formuliert fällt mir die Mutter ins Wort mit "Sie können ja das Restaurant verlassen, wenn sie die Kinder stören". Zum Erklären, dass mich nicht die Kinder, sondern die Lautstärke störten kam ich nicht, denn die 10Jährige übernahm die Gesprächsleitung und fragte mich, ob ich nie Kind gewesen sei ... für mich keine überraschende Wende bei dieser Mutter. Und so liess ich's bleiben. Was dies mit Rasern zu tun hat? Es ist die Selbstherrlichkeit einzelner Zeitgenossen, die für die verschiedensten Auswüchse, von harmlosen wie in der Beiz bis eben tödlichen auf der Strasse besorgt sind. Und hier einen Schnitt machen zu wollen bezüglich Strafmass, ggf. sogar Todesstrafe, ist für mich Willkür pur.

    Im vierten Fallbeispiel erkenne ich eine natürliche Todesursache, die anzunehmen mir kein Problem bereitet. Sterben gehört zum Leben, den einen trifft's früher, den anderen später.

    Zur Frage der Therapierbarkeit kann ich weiter eigentlich nichts sagen, was ist "normal" und was nicht? Wir haben doch alle unseren Zack weg, bei einzelnen sind die Auswirkungen einfach spürbarer und tragischer. Und Ärzte, insbesondere Psychiater sind auch nur Menschen. Und wenn ein solcher feststellt "nicht therapierbar - weg mit dem Täter, braten auf dem Stuhl ist wohl noch das Beste, was dieser Mensch verdient" habe ich Mühe mit der Arroganz der Beurteilenden. Überhaupt sehe ich eine Problematik zunehmend darin, dass einzelne sagen, was für andere gut zu sein hat - zu dieser Haltung kam ich u.a. auch aus den hier im BEO-Forum teils (für mich) haarsträubenden Aburteilungen anders Denkender oder während einer gewissen Zeit der Ausländer. Dem Blocher hat man mittlerweile die Flügel gestutzt, aber allgemein dieses Denken ... grauenhaft.

    Über die Bedeutung des Todes denke ich ähnlich wie von dir ausgeführt. Wieso du glaubtest eine andere Haltung von mir erkennen zu können, weiss ich nicht.

    ramstein

  • Hallo Speedy44

    Die Todesstrafe wurde in der Schweiz im Jahre 1942 abgeschafft, nachdem im Jahr 1940 die letzte Hinrichtung vollzogen wurde. Soweit zu den geschichtlichen Daten.

    Wenn Du den finalen Rettungsschuss der Bündner Polizei hier auflisten willst, dann musst Du wohl auch noch jeden anderen Mord verbrochen durch Schweizer oder Ausländer auch noch hinzufügen und da waren wohl die gerade die letzten Wochen stattgefundenen Raserunfälle mit unschuldigen Todesopfern nicht zu vergessen !

    Gruss

    Peter

  • Hallo Peter

    Ich bin ein Befürworter für wesentlich härtere Strafmassnahmen, aber ich bin gegen die Wiedereinführung der Todesstrafe.

    Dieser finale Rettungsschuss der Bündner Kantonspolizei war aus meiner Sicht eine öffentlichen „Hinrichtung“ von einem kriminellen 22-ig Jahre jungen Ersttäter, der keinen Mord begangen hat. Als Bürger erwarte ich von den Polizeiorganen, dass sie einen einzelnen Mann, der keine Geissel bei sich hat, in einer kleinen Wohnung kampfunfähig machen können ohne diesen gezielt zu erschiessen. Weil dem nicht so ist, frage ich mich, weshalb bezahlen wir die hohen Ausbildungs- und Materialkosten (Schutzbekleidung etc.) von Polizeigrenadieren, wenn diese trotzdem nicht fähig oder nicht in der Lage sind, eine Einzimmerwohnung zu stürmen ohne dass es einen Toten gibt. Nur um einen Menschen auf fünfzig Meter Distanz zu erschiessen, bräuchten wir keine Polizeisonderkommandos.

    In der Schweiz gibt es zurzeit 218 verwahrte Straftäter und wenn wir diese alle hinrichten möchten, bräuchte es dazu einen ausgebildeten Henker. Vielleicht meldet sich hier ein Rambo, der dieses Amt übernehmen würde.

    speedy44

  • @speedy

    "Wie sollten Schwerverbrecher deiner Meinung nach bei uns in der Schweiz „human“ hingerichtet werden?"

    Eine wohl eher rhetorische Frage. Wenn Dignitas Sterbewillige auf eine Art in den Tod "begleiten" kann, dass es von diesen akzeptiert wird, dann sollten wir das auch mit einem zum Tode Verurteilten können.

    Was meinst du konkret mit

    "...Zwischenfällen bei Exekutionen mit entsetzlichen Folgen..."?

    Das, was du als letzte Hinrichtung in der Schweiz im Jahr 2000 bezeichnest, kann ich nicht kommentieren, weil ich keine Details kenne. Für mich wäre vor allem interessant, ALLE Versionen dieser "Hinrichtung" zu hören.

    Weiter möchte ich dir ans Herz legen, zu berücksichtigen, dass ich nicht einfach eine Todesstrafe für schwere Straftaten fordere, sondern darauf hinaus will, die Gesellschaft vor gewissen Personen zu schützen. Eben nicht, indem man sie lebenslänglich wegsperrt, sondern indem man sie hinrichtet. In diesem Sinn ist dein Hinweis auf die 218 Straftäter irreführend. Die Todes"strafe" sollte m. E. auch für Personen angewendet werden können, welche wiederholt den Tod anderer (grob)fahrlässig in Kauf nehmen.

    @ Ramstein

    Danke für deine ausführliche Antwort. Ich kann daraus aber die Antwort auf meine Frage nicht erkennen: wäre in allen Fällen "tot ist tot" deine Reaktion oder empfändest du

    1) Hass für den Täter, der dein Kind absichtlich geschändet und getötet hat,

    2)Wut über eine Behörde, die es nicht geschafft hat, eine Gefährdung zu verhindern,

    3) Zerrissenheit zwischen Trauer und Wut, zwischen akzeptieren eines Unfalls und der Suche nach Verantwortlichen oder

    4) Trauer über den Tod deines Kindes und suchst doch nach Erklärungen?

    Und, vor allem: wären aus diesen Gefühlen Massnahmen abzuleiten, die verhindern, dass andere Personen in die gleiche Situation geraten wie du, obwohl es zu verhindern wäre?

    Wie auch immer: für mich ist "tot" nicht einfach gleich "tot".

    Speziell dann nicht, wenn der Tod eines Unschuldigen zu verhindern gewesen wäre.

    Die Frage, die sich daraus stellt: was sind wir bereit zu tun, um das Leben eines Unschuldigen zu retten? Sind wir bereit, dazu das Leben eines Schuldigen dafür zu nehmen?

  • Guten Abend R. Haenni

    Ich bin froh für deine hartnäckige Nachfrage, war mir nicht bewusst, noch Fragen offen gelassen zu haben. Ich habe mich getäuscht und liefere nach:

    1) Hass für den Täter, der dein Kind absichtlich geschändet und getötet hat,

    Ich kann dir nicht sagen, was wäre wenn. Ich stelle mir jeweils vor, wie ich empfinden könnte bei Kenntnisnahme entsprechender, mich aber eben nicht betreffender Ereignisse. Ich weiss es einfach nicht.



    2)Wut über eine Behörde, die es nicht geschafft hat, eine Gefährdung zu verhindern,


    Von Behörden erwarte ich absolut nichts, könnte somit keine Wut empfinden. Ich bin stets mein eigener Verantwortlicher gewesen, Behördenentscheide quittiere ich üblicherweise mit Unverständnis, mit "typisch". Wut kann ich somit nicht empfinden, es sei denn, der Tod stehe in direktem Zusammenhang mit der Behörde, also nicht dass sie verhindert, sondern gar verursacht hätte. Da würde ich mich dann nicht mehr kennen und du könntest entsprechendes in der Zeitung lesen.

    3) Zerrissenheit zwischen Trauer und Wut, zwischen akzeptieren eines Unfalls und der Suche nach Verantwortlichen



    Kann ich nur auf die bereits angestellten Überlegungen verweisen, ich kann die Frage nicht beantworten.

    4) Trauer über den Tod deines Kindes und suchst doch nach Erklärungen?

    Trauer in jedem Fall, wie auch immer. Die Suche nach Erklärungen nur dann, wenn ich daraus Folgen oder Änderungen ab- oder einleiten könnte. Ich neige zur Haltung, dass "Leben normalerweise tödlich endet, wie dies geschieht, ist aus meiner Biografie und bisher unbedeutend. Ich könnte mir vorstellen, dass der Unterschied zwischen "Tod durch Unfall" oder "Krankheit" wenig an meiner Verarbeitung, meiner Trauer ausmachen würde. In dem Sinn ist für mich eben schon "tot ist tot oder eben nicht mehr in meiner Nähe, nicht mehr unter den Lebenden"

    Und, vor allem: wären aus diesen Gefühlen Massnahmen abzuleiten, die verhindern, dass andere Personen in die gleiche Situation geraten wie du, obwohl es zu verhindern wäre?

    Was das Schicksal anderer Personen betrifft, fühle ich mich nicht zuständig, musste zu oft erkennen, dass mir selten geglaubt wird.

    Speziell dann nicht, wenn der Tod eines Unschuldigen zu verhindern gewesen wäre.

    Wäre er das wirklich gewesen? Niemand hat die Allmacht über fremde Schicksale; beginnen wir solches zu hinterfragen, kommen wir vom Zehntel ins Hundertstel, Tausendstel usw. und müssen uns fragen, wie viele Menschen auf dieser Welt hungern und sterben, weil wir hier leben in Saus und Braus, wie weit sind wir "Kultivierten" am Elend dieser Welt mitverantwortlich? Gehören nicht auch abscheuliche, schreckliche Ereignisse zum Leben und sorgen dafür, dass eben "Leben auch endet"?

    Die Frage, die sich daraus stellt: was sind wir bereit zu tun, um das Leben eines Unschuldigen zu retten? Sind wir bereit, dazu das Leben eines Schuldigen dafür zu nehmen?

    Mir fällt auf, wie oft du den Begriff "unschuldig(es Opfer") verwendest. Was heissen "Schuld", "Unschuld" - welche Wertemassstäbe finden Anwendung? Denken wir an die Gräuel-Ereignisse im Gaza. Sind Israeli Täter. Hamas provozierte, aber was sollen die armen Cheiben in ihren Ghettos anderes tun? Hast du eine klare Antwort. Wer trägt Schuld?????????

    ramstein

  • @ R. Haenni, ergänzende Gedanken

    Du siehst, deine Fragen lassen mich "grübeln" und haben als weiteres Zwischenergebnis gezeigt,

    dass Ereignisse, wie von dir beschrieben (die Fallbeispiele), etwas Schicksalhaftes an sich haben. Es ist ja nicht nur der Raser, sondern eben auch das Opfer beteiligt. Und ich könnte als Vater mir vielleicht vorwerfen "warum habe ich meine Tochter zu genau diesem Zeitpunkt verabschiedet und ziehen lassen, so dass sie zu genau dem Zeitpunkt, als der Raser die Herrschaft über seine "Waffe" verloren hat, am Unfallort war". Du gehst davon aus, dass "man" sich so benimmt, dass man anderen keinen Schaden zufügt. So denke auch ich. Leider gibt es aber nicht nur Haennis und Ramsteins, vielfach wird auch ganz anders gelebt und diese Lebensweise auch für richtig gehalten oder vielleicht nicht hinterfragt. Die Sichtweisen sind eben schon stark divergierend. Beispiel Offroader, die einer kauft, um ggf. bei einem Unfall wenig Schaden an Leib und Leben zu nehmen. Der andere aber, der mit diesem Panzer zusammenstösst, sieht "dünn" aus und trägt den Schaden. Soll ich nun den Offroad-Liebhaber seiner Haltung wegen verurteilen? Und in diese Richtung gehen auch meine Ansichten gegenüber dem Raser (bitte verstehe mich richtig, ich habe absolut kein Verständnis für dessen Lebenshaltung, seine Rücksichtlsosigkeit), der eben wie der Offroad-Fahrer, der Litteringverursacher, der mich in öffentlichen Lokalen "einrauchende" Gast, der am Fussgängerstreifen mir den Vortritt verweigernde Autofahrer (möglicherweise ein sonst vorbildlicher, sprich bez. Geschwindigkeit an die Vorgaben sich haltender ehemaliger Richter, aber abgelenkt und mir den Vortritt verweigernd), der sich an der Kasse Vordrängende usw. anders als von mir gutgeheissen verhält und je nachdem mit seinem Tun aus Ignoranz, Dummheit oder Überheblichkeit immensen Schaden anrichten kann.

    Ich kann nicht meine eigene, in meinen Augen vorbildliche (zumindest so weit mir bewusst und in gewissen Grenzen) Lebensweise als das Ein-und-Alles deklarieren. Ich muss mit den anderen Menschen mich arrangieren und Dummheit ist leider nicht strafbar.

    ramstein

  • Hallo ramstein

    Danke für deine Gedanken. Sie sind interessant und lassen mich ein bisschen von deinem Wesen verstehen - hoffe ich jedenfalls!

    Zuerst zu deiner Frage nach "schuldigen" und unschuldigen Opfern:

    Ich musste mir das auch zuerst überlegen und kam zum Schluss, dass ich ein Opfer als "unschuldig" bezeichne, wenn es nichts zu dem beigetragen hat, was ihm passierte. Wer in einer dunklen Gasse auf dem Heimweg überfallen wird, ist ein unschuldiges Opfer, weil wir hier davon ausgehen können (sollten), dass man unbeschadet nach Hause kommt. Wer eine stark befahrene Autobahn unbedingt zu Fuss überqueren will, ist kein unschuldiges Opfer, sondern hat seinen Unfall heraufbeschworen.

    Dummheit ist zwar nicht strafbar, wird aber trotzdem ab und zu direkt vom Leben bestraft.

    Interessanterweise ist nach dieser Definition auch ein Massenmörder ein "unschuldiges" Opfer, wenn er von einem Raser auf dem Fussgängerstreifen zu Tode gefahren würde. Aber dann kann man sich ja mit einer höheren Gerechtigkeit über seinen Tod trösten...

    Ich glaube, wir waren schon des Öfteren an diesem Punkt der Diskussion, wo sich unsere Ansichten zu Menschen und der Gesellschaft grundsätzlich unterscheiden: ich glaube daran, dass man verändern kann. Ich glaube daran, dass der Mensch ein berechnendes Wesen ist und Folgen und eventuelle Strafe grösstenteils in sein Handeln einbezieht.

    Die von dir angesprochenen Warum-habe-ich-nur-gerade-dann und Hätte-ich-doch Selbstvorwürfe sind verständlich, aber nutz- und sinnlos. Sie sind für jede beliebige Situation (un)passend, austauschbar und daher eine hilflose Suche nach Verantwortlichen, die es oft nicht gibt.

    Die Frage aber, ob deine Tochter noch leben würde, wenn der Raser aus dem Verkehr gezogen worden wäre, hat eine andere Dimension. Es war zu erwarten, dass es wieder Tote gibt! Die Wahrscheinlichkeit ist in Relation zu einer Selbstvorwurfs-Fragen ungleich höher und die Situation ungleich konkreter. Der Tod wäre vermeidbar gewesen, wenn man gehandelt hätte!

    Bist du wie der Offroader-Fahrer, der den Schaden des anderen in Kauf nimmt und jetzt zum Tod der eigenen Tochter mit den Schultern zuckt und das ganze als unglücklichen Unfall deklariert, damit die eigenen Versäumnisse und die der Gesellschaft nicht offenbar werden?

    Provokativ, zugegeben, aber wie weit von der Wahrheit weg?

    Ich sehe einen grossen Unterschied zwischen einem Offroader-Fahrer, der (vermeintlich) etwas für seine Sicherheit macht und dafür einen grösseren Schaden eines anderen in Kauf nimmt und einem Raser, der, aus welchen (niedrigen) Beweggründen auch immer, den Schaden oder gar den Tod anderer Verkehrsteilnehmer grobfahrlässig in Kauf nimmt!

    Bei all den Beispielen, die du bezüglich unangenehmer Mitmenschen aufzählst, vermisse ich immer den gleichen Charakterzug der "Täter": Respekt! Sowohl vor der Unversehrtheit von Personen wie auch vor Gütern oder gemeinsamem Eigentum wie Einrichtungen, privaten und öffentlichen Gebäuden, Plätzen, Kunstwerken etc. etc.

    Vielleicht müssen wir als Gesellschaft diesen Respekt durch Angst vor Strafe ersetzen - wenigstens so lange, bis wieder die grosse Mehrheit der Eltern ihren Sprösslingen diesen Respekt wieder beigebracht hat?

    Relativ weit weg von der Frage der Todes"strafe", aber auch ein paar Gedanken wert, nicht wahr?

  • @ R. Haenni

    Du schreibst:

    “... und kam zum Schluss, dass ich ein Opfer als "unschuldig" bezeichne, wenn es nichts zu dem beigetragen hat, was ihm passierte. Wer in einer dunklen Gasse auf dem Heimweg überfallen wird, ist ein unschuldiges Opfer, weil wir hier davon ausgehen können (sollten), dass man unbeschadet nach Hause kommt“

    Das sieht aber eine nette Polit-Dame aus dem Berner rot/grünen Lager etwas anders. Auf meine schüchterne Feststellung: "Nach Mitternacht sei es in den Gässchen der Altstadt und rund um den Bahnhof gefährlich", antwortete sie mir treuherzig: "Nach Mitternacht liegt man im Bett, jedenfalls unter der Woche und hat in Altstadtgässchen und schon gar nicht rund um den Bahnhof etwas zu suchen. Wird man belästigt, zusammengeschlagen und ausgeraubt, ist man selber schuld!" Alles klar?

    Gruß

    Kobold

  • Hallo R. Haenni,

    In Anknüpfung an deine rhetorische Frage, ob deine Ausführungen ein paar Gedanken wert seien, meine ich, dass Gedankenjogging immer tut gut.

    Ich verstehe deinen Standpunkt insgesamt sehr gut, vermisse aber die (meiner Ansicht nach nicht durchführbare) Grenzsetzung zwischen Schwere, Motivation oder allgemeiner Einordnung von Straftaten. Wir diskutierten den Fall des Rasers, wo beginnt "Rasen", wo unterscheidet sich der Raser von dir persönlich? Du magst empört einwenden "aber bitte, Ramstein, ich bloche nicht mit 120 km/h und mehr ausser- oder gar innerorts!" Ich übrigens auch nicht, erinnere mich aber an lange zurück liegende Zeiten, als ich auf deutschen Autobahnen ohne Geschwindigkeitsbegrenzung sehen wollte, was mein Fahrzeug bringt. Selbstverständlich ist immer alles gut gelaufen, ich hielt mein Handeln stets als verantwortbar. War ich Raser? Ich bin mir nicht schlüssig, meine aber "nein", denn ich knebelte nicht auf Teufel komm raus, sondern in Anpassung an die Sicht, die anderen Verkehrsteilnehmer und was sonst noch entscheidet. Aber ausschliessen, dass etwas passiert (und dann eben verheerend Schlimmes) konnte ich so wenig wie der Pappeli, der mit 30 km/h an Orten fährt, wo 80 km/h erlaubt wären. Wo also liegt die Grenze zwischen Raser und Nicht-Raser?

    Diese Frage wird dann entscheidend, wenn du für Raser vorsorglich die Todesstrafe forderst zum Schutz der Mitbürger, denn nur tote Raser rasen nicht mehr und vorsorglich muss verhindert werden, dass er Tote zu verantworten hat (was er seiner Gesinnung wegen nicht kann). Du formuliertest:

    "Die Frage aber, ob deine Tochter noch leben würde, wenn der Raser aus dem Verkehr gezogen worden wäre, hat eine andere Dimension. Es war zu erwarten, dass es wieder Tote gibt! Die Wahrscheinlichkeit ist in Relation zu einer Selbstvorwurfs-Fragen ungleich höher und die Situation ungleich konkreter. Der Tod wäre vermeidbar gewesen, wenn man gehandelt hätte!". Und "Handeln" hiess für dich "Rübe ab".

    Zur Frage nach der Eigenverantwortlichkeit bin ich mir auch nicht so ganz sicher wie du, ob die Opfer wirklich absolut nichts mit dem schicksalhaften Ereignis zu tun haben. "Kobold" hat sich diesebezüglich mit den Worten einer Berner Politikerin geäussert und nimmt einen anderen als den von dir vertretenen Standpunkt ein. Du schriebst

    "kam zum Schluss, dass ich ein Opfer als "unschuldig" bezeichne, wenn es nichts zu dem beigetragen hat, was ihm passierte. Wer in einer dunklen Gasse auf dem Heimweg überfallen wird, ist ein unschuldiges Opfer, weil wir hier davon ausgehen können (sollten), dass man unbeschadet nach Hause kommt."

    und ich widerspreche, dass es eben nicht selbstverständlich ist, nicht überfallen zu werden, nicht mit einem Raser zusammen zu gelangen, dass Hauswände nicht besprayt werden, dass man sich freundlich grüsst usw. Nein, lieber Haenni, nichts (an vermeintlich Gutem) ist selbstverständlich, und deshalb ist man eben schon des *eigenen Glücks Schmied" und hat mit in die Überlegungen, die Lebensgestaltung einzubeziehen, wie man sich durch den Dschungel an Üblem in naher und ferner eigener Umgebung bewegt, ob man diese und jene als bekannt gefährliche Gasse durchschreitet oder meidet. Man kann der Gefahr in die Augen sehen, ich würde besagte Gassen nicht meiden, halte mein Auftreten für nicht einladend mich zu einem Opfer werden zu lassen. Man strömt eine Aura (oder wie immer man den Sachverhalt bezeichnet) aus, die vielleicht sogar unbemerkt andere einlädt, einen zu belästigen, anzupöbeln oder was auch immer. Wir senden Signale aus, die von potentiellen Suchenden, den Tätern empfangen und zum Handeln verstanden werden. Die Diskussion kennen wir aus Gerichtsverfahren i.S. "Vergewaltigungen", wo der (meist männliche) Täter behauptet, das Opfer sei einverstanden gewesen, hätte "es" gewünscht - die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen, ohne dass ich dem Opfer unterstelle, dem Täter nachträglich mit der Klage ein Ei legen zu wollen. aber sie war mitbeteiligt. Wohl auch nicht ganz zufällig erleben gewisse Frauentypen mehrmals solche Situationen, müssen sich vor Nachstellungen (auch durchaus normalen und im Rahmen der Werbung liegenden) wehren und andere erleben nie so etwas. Wir haben unsere persönlichen Schicksale, die oft mit uns selbst eben sehr viel zu tun haben.

    Und zum Schluss: Auch ich sehe Riesenunterschiede zwischen dem Offroadfahrer und dem Raser. Erwähnt habe ich diese Vielzahl an Beispielen um eben darzulegen, wie schwierig und meiner Ansicht nach unmöglich es ist, Grenzen zu ziehen zwischen "Lieben, Guten" und "Bösen, Schlechten" und den vielen Zwischenschattierungen in den verschiedensten Facetten des Lebens.

    Ich habe wieder gerne nachgedacht.

    ramstein

  • @ Kobold & ramstein:

    Die "nette Polit-Dame aus dem Berner rot/grünen Lager " hätte meine Wahl-Stimme sicher nicht erhalten und würde sie auch nie erhalten. Und ich bin sicher, wenn du, Kobold, diese Antwort belegen kannst und damit an die richtigen Medien gehst, wird sie auch kaum mehr gewählt werden!

    @ramstein

    Es gibt klare Regeln, wann jemand als Raser definiert wird und wann nicht. Es geht auch gar nicht darum, ob einer Raser ist oder nicht, es geht darum, ob jemand wiederholt (grob)fahrlässig den Tod von Mitmenschen in Kauf nimmt. Dein erstes "Haenni-Zitat" zielt genau in diese Richtung. Der Raser war nur gerade ein anschauliches Beispiel.

    Wobei ich zugeben muss, dass gerade der "Raser" ein schlechtes Beispiel ist, weil sich diese Charakterschwäche meistens "auswächst". Nach einer Theorie der Psychologie ändert sich ein Mensch alle ca. 7 Jahren relativ stark, wird ein "neuer" Mensch. Bei den meisten Rasern würde es wahrscheinlich genügen, wenn man sie diese 7 Jahre aus dem Verkehr ziehen würde. Wie das gehen sollte, lasse ich hier offen.

    Mit deinen Ausführungen, dass es Personen gibt, die "Probleme" eher anziehen als andere, gehe ich einig. Nicht einverstanden bin ich aber mit der Ableitung daraus, dass es in irgend einer Form normal, logisch, zu erwarten oder was auch immer sein soll, dass deshalb ein Unrecht an jemandem verübt wird!

    Ich rege mich immer wieder extrem auf, wenn jemandem gesagt wird, dass er selber Schuld sei, dass sein Velo geklaut wurde, wenn er es nicht abgeschlossen habe! Als ob er ein Naturgesetz nicht respektiert hätte!

    Nein: es darf nicht sein, dass jemand ganz selbstverständlich Opfer eines Verbrechens wird, wenn er nicht Vorsichtsmassnahmen ergreift! Irgendwie hat unsere Gesellschaft da ein Defizit oder ich lebe einfach in der falschen Zeit!

    Der Hinweis auf die Unterscheidung der "Lieben & Guten" und der "Bösen & Schlechten" gilt natürlich immer und jederzeit. Es liegt an uns, festzulegen, welche Massnahme für einen Täter die richtige sei.

    Es wäre interessant zu sehen, wie wir richten würden, wenn wir die Macht dazu hätten!

  • @R. Haenni

    Nach einer Theorie der Psychologie ändert sich ein Mensch alle ca. 7 Jahren relativ stark, wird ein "neuer" Mensch.

    Wo hast du diese "Erkenntnis" her? Ich ging und gehe davon aus, dass wir im Wesentlichen diejenigen sind und bleiben, die wir sind. Ansichten, Temperament uvm. kann sich schon ändern, aber ob diese einem siebenjährigen Zyklus unterliegen soll ... ich weiss nicht. Und warum gerade sieben Jahre?

    Ich rege mich immer wieder extrem auf, wenn jemandem gesagt wird, dass er selber Schuld sei, dass sein Velo geklaut wurde, wenn er es nicht abgeschlossen habe! Als ob er ein Naturgesetz nicht respektiert hätte!

    Von "Schuld" zu sprechen scheint mir auch nicht angebracht. Aber gutgläubig, naiv bis eben fahrlässig muss sich dieser Bestohlene schon bezeichnen lassen. Dass solches eben - auch wenn du's gerne anders hättest - normal ist, geht aus der Praxis der Versicherungsgesellschaften hervor, die entsprechend nachfragen bei Schadensmeldungen.

    Nein: es darf nicht sein, dass jemand ganz selbstverständlich Opfer eines Verbrechens wird, wenn er nicht Vorsichtsmassnahmen ergreift! Irgendwie hat unsere Gesellschaft da ein Defizit oder ich lebe einfach in der falschen Zeit!

    So vieles dürfte nicht sein und ist leider Alltag. Ich kann's nicht ändern, ich achte einfach darauf, wo möglich meinen (wie ich meine) guten Einfluss geltend machen zu können und mir wohl dabei sein lassen, wenn ich selbstgerecht täglich feststelle "ich bin der, der ich sein möchte und behandle Mitmensch und Natur respektvoll". Dass meine Massstäbe nicht generell gelten und "man" die Wertetabelle auch anders formulieren kann, habe ich gelernt zu akzeptieren. So rege ich mich nicht mehr besonders heftig auf über dieses und jenes. Was z.B. im Nahen Osten wieder läuft ... einfach grauenhaft.

    Es wäre interessant zu sehen, wie wir richten würden, wenn wir die Macht dazu hätten!

    Ich bin froh, diese Entscheidungen nicht treffen zu müssen.

  • Hallo

    Bei all Euren Aussagen und Vorbehalten ... In letzter Zeit gibt es eine zunehmende Häufung von überaus kranken Zwischenfällen und Taten. Fangen wir mal hinten an mit dem Kinde-/Babymörder "Joker" in Belgien, Dutroux um im Land zu bleiben, Fritzl in Österreich etc. All dies sind ja Taten mit eindeutiger Beweislast und Geständnissen. Allesamt sinnlose Taten mit verheerenden Folgen für Überlebende.

    Keinen dieser Täter wird man resozialisieren oder zu einem guten Menschen machen können und soll diese jahre- oder jahrzehntelang einsperren und betreuen ? Gedient ist damit wohl niemandem - oder ?