Beiträge von Jazz65

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    Hallo Kobold

    Einerseits verstehe ich ihre Einwände, andererseits denke ich, dass sie noch andere Zeiten gekannt, sozusagen noch in den goldenen Jahren gearbeitet haben, in Zeiten, wo man noch gut etwas zurücklegen konnte. Damit möchte ich ihnen jedoch keinesfalls unterstellen, dass sie nicht hart und eigenverantwortlich für alles gearbeitet und gelebt haben, was sie heute im Rentenalter geniessen können. Ich bin auch schon etwas älter, vor 30 Jahren konnte ich mit meinem kleinst-Lohn noch gut wirtschaften auch sparen, was später mit mehr Geld dann schon wieder wesentlich schwieriger wurde. Und gerade diesen Umstand, dass ich kaum mehr eine kleine Altwohnung für Fr. 600.- finden kann wie früher, sehe ich als Teil-Grund dafür. Ich würde gerne eine billige Wohnung ohne grossartigen Luxus bewohnen, wenn es die noch gäbe. Fast alle wurden zum Luxusobjekt umgebaut, so ist ein „Kleinanfangen“, gerade für ganz junge Menschen schon gar nicht mehr möglich, so wie es für uns einst möglich war. In einer etwas speziellen Wohngemeinschaft geht es mir momentan sehr gut, doch kannte ich auch andere, sehr harte Zeiten. Da ich ein bescheidenes Leben bevorzuge, lebte ich immer unter und nicht über meinen Verhältnissen. Ich wurde noch nach dem Grundsatz erzogen, dass man schuldenfrei durchs Leben gehen soll. Heute bin ich auch schlauer, aber nur, weil ich heute 20% Eigenkapital für die Anzahlung an eine billigen Klein- Eigentumswohnung auf der Seite habe. Klein und billig, weil ich lieber auf der sicheren Seite bleiben möchte, nur, das zu finden ist auch nicht gerade einfach.

    Wie schon erwähnt geht es mir heute recht gut, aber das gibt mir nicht den Anlass zu vergessen und schon gar nicht dazu, aus der sicheren Perspektive über andere zu richten, einfach so pauschal, ohne alle Fakten desjenigen zu kennen. Es ist nicht jeder mit einem grossen Selbstvertrauen und einer robusten Gesundheit gesegnet. Der Gruppenzwang, den man in Bezug auf Markenklamotten bei Teenies sieht, kann man auch in der Gesellschaft der Erwachsenen beobachten. So glauben viele Leute, dass der nach aussen demonstrierte Wohlstand eine Werterhöhung seiner selbst darstellt. Es hat nicht jeder die Grösse zu überhören, wird über das Erreichte abwertend gelästert, weil es nicht gesellschaftskonform genug ist. Man wird heute zu einem gewissen Standard gezwungen. Schon die Werbung sagt uns, dass jeder ein „Säuniggeli“ ist, der keine Feuchttüchlein fürs Fudeli verwendet und und und. Der Konsumdrang, -zwang bringt uns nicht nur Gutes. Die Kinder lernen nur noch zu wissen, was es alles zu kaufen gibt, aber selten, wie schwer das Geld zu verdienen ist. Mir wird manchmal fast schlecht, wenn ich die Geschenkepalette eines Kindergeburris anschaue. Aber, dann muss man sich doch nicht wundern, wenn sie später mit dem Geld nicht umgehen können. Es ist ein Gesellschaftsproblem, welches sich verselbstständigt hat. Wir waren früher nicht so vielen Versuchungen ausgesetzt. Sie Kobold noch weniger als ich.

    Natürlich gibt es viele Schweizer, die besser sparen könnten, weit über ihre Verhältnisse leben, die werden sie aber kaum bei den Working-poore finden. Ich habe schon verstanden was Rolf gemeint hat, so von wegen Leasing, nur das kann man auch höflich erklären. Ich weiss, wie schnell ein Auto seinen Wert verliert, darum würde ich keinen Neuwagen erwerben. Entgegen meiner Erziehung würde ich mich für eine Immobilie heute auch verschulden, weil sie den Wert erhält, achtet man darauf und wählt man das richtige Objekt.

    Natürlich haben wir auch Sozialschmarotzer, nur ist unser Sozialsystem zum Glück nicht so verkorkst und unüberschaubar wie in Deutschland. Wenn ich jedoch einen treffe, sag ich ihm was ich von Sozialschmarotzern halte, aber dieser Person direkt ins Gesicht und nicht pauschal, auf fast alle bezogen. Ich kann nicht sagen, wie das prozentuale Verhältnis ist von Bedürftigen zu Ausnutzern. Es gibt alles, nur ist es schwierig jede Lage salopp zu beurteilen, weil Vieles oft anders ist, als es nach aussen scheint.

    Und die sie ständig schimpfen und jammern hören, die hören wir alle.

    Doch, die stumm Funktionierenden, hören wir alle nicht.

    Freundliche Grüssen und gutes neues Jahr.

    Ach, da geht’s aber heiss her, ich habe mir da auch paar Gedanken zu gemacht.

    Rolf kann einfach nur froh sein, dass er sein Eigenheim nicht wieder zu Geld machen muss, um seinen Lebensunterhalt selber zu finanzieren, dank uns „dummen“ Schweizer und unseres „dämlichen“ Sozialsystems. Anstelle der Beschimpfungen wäre da eher mal ein grosses Dankeschön angesagt. Jeder lernt andere Facetten des Lebens kennen, gewollt oder nicht. Sicher, ist nichts auf Dauer, möglich, dass auch das göttliche Wesen Rolf mal wieder auf die Erde zurückgeschleudert wird. Ich wünsche ihm, dass dann der Aufprall nicht allzu schmerzhaft sein wird. Alle Erklärungen und Argumente Xeno’s werden aus ihm kein menschliches Wesen mehr machen, dazu bedarf es wohl einer höheren Macht.

    Einer, der sich nie mit Working-Poor auseinandergesetzt hat, leugnet deren Existenz, kenn ich nicht, gibt es nicht. Einer, der nie alleine mit drei Kindern im Leben stehen musste, wird nie erkennen, mit welchen Sorgen und Nöten diese Menschen zu kämpfen haben. Einer, der etwas erreicht hat weiss nicht, dass andere ihr Leben lang strampeln können, ohne vom Fleck zu kommen, woher auch. Wer viel Glück hat, kann Pech und Schicksalsschläge nicht nachvollziehen. Einer wird nie Verständnis für Andere aufbringen, wenn er nicht will oder nicht kann! Das Wort Verständnis kommt doch von Verstand, oder?

    Leider verleitet ein hoher Lebensstandard viele Leute dazu, überheblich und unbarmherzig über andere zu richten, das schockiert. Ich finde diese Entwicklung äusserst traurig und fragwürdig!