Am heutigen Karfreitag noch ein Nachtrag zum Thema:
Vor knapp drei Jahren habe ich schon einmal einen Kommentar zur menschlichen Frühgeschichte in ihrer biblischen Fassung verfasst. Leider lässt er sich hier nicht verlinken, daher hier noch einmal per copy & paste, in leicht redigierter Form:
Die Frau als Halbmensch
Die Schöpfungsgeschichte lehrt uns viel über ihre Autoren, und in der Art und Weise, wie sie gelesen wird, auch über ihre Rezipienten. Das sind sowohl die aktiven Bibelleser wie auch alle diejenigen, die in einer christlich-abendländischen Kultur aufgewachsen sind oder leben, also wir alle.
Im "Buch der Bücher" findet sich ein Frauenbild, das an Verachtung kaum zu überbieten ist:
Es beginnt mit der Erschaffung der Frau aus des Mannes Rippe als seine "Gefährtin":
In einer der zwei Versionen, die uns die Genesis bietet ist sie nicht einmal Teil der ursprünglichen Schöpfung. Das Bild von der Halbmenschlichkeit der Frau hat sich über die Jahrtausende in allen jüdisch-christlich-islamischen Kuluren erhalten.
Erst im Laufe des XX. Jahrhunderta wurde die öffentlich- und zivilrechtliche Stellung der Frau in den meisten Ländern an die des Mannes angeglichen, jedoch finden sich auch heute noch ganz erhebliche Vorurteile gegenüber Frauen, die sich nicht an einen Mann binden wollen.
Das verderbte Weib und der Sündenfall
Die Geschichte des Sündenfalls und ihr kulturelles Verständnis ist weitaus komplexer als sie auf den ersten Blick erscheint:
Der Teufel nähert sich Eva in Gestalt einer Schlange, im Hebräischen übrigens männlich, verführt sie und lässt sie seinerseits nun ihren Mann, der sich des weiblichen Charmes nicht erwehren kann, zum Bruch des göttlichen Verbotes bewegen.
In klassischer Lesart sehen wir Eva, die Frau an sich, als einerseits wankelmütig und verführbar, andererseits aber auch als gefährlich. Adam, der Mann an sich, ist das Opfer: mittelbar des Teufels, unmittelbar aber der Weiblichkeit. Dieses Motiv taucht in der Bibel immer wieder auf, etwa in der Geschichte von Samson und Dalilah.
Folgerichtig verteidigt sich Adam, als er sich vor Gott für seine Missetat verantworten muss, indem er Eva, dem Fleisch von seinem Fleisch [Moses 1.2.24], die Schuld zuschiebt. Der misogyne [frauenfeindliche] Gott der Hebräer, Christen und Muslime sieht offensichtlich eine gewisse Logik in dieser Argumentationslinie und bestraft Eva härter als Adam:
Die verdiente Strafe
Ich will dir viel Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären; und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, und er soll dein Herr sein. [Moses 1.3.16]
Olle Luther war hier sogar noch gnädig mit uns, das hebräische Original geht richtig in die Vollen:
Dein Laufen, was du in den Schenkeln, zwischen den Beinen hast, soll dich treiben zum Mann, und er soll Gewalt über dich haben.
Interessant ist auch die Symbolik: Der Teufel nähert sich Eva als Schlange, einem Tier von phallischer Gestalt. Hier deutet sich bereits die sexuelle Konnotation der Verführung durch den Teufel an. Es ist die weibliche Sexualität, ihre natürliche Verderbtheit, die dem Manne zum Verhängnis wird.
Damit die Frau nicht wieder auf dumme Gedanken kommt, wird ihr Verlangen, wie oben zitiert, ausschließlich auf den Mann konzentriert. Weil aber die blöden Weiber bestimmt trotzdem wieder Unfug anstellen, werden sie auch noch unter die Vormundschaft des Mannes gestellt.
Eva wurde also vom Teufel angegriffen, als Werkzeug missbraucht, vom eigenen Mann verraten und von Gott entmündigt und bestraft.
Warum sie der ganzen Männerbande nicht zu diesem Zeitpunkt den verdienten Stinkefinger gezeigt und sich davon gemacht hat, mag an dem ihr von Gott auferlegten Verlangen nach dem Manne gelegen haben oder an der Tatsache, dass der Schöpfer den Mann mit mehr Muskeln ausgestattet hatte und sie keine Wahl hatte als zu bleiben, wenn sie nicht zu allem Ungemach auch noch eine Tracht Prügel beziehen wollte (Half kein Weh und half kein Ach, musst es doch erleiden. [Aus "Heideröslein"]).
Vielleicht war es auch der von S. Freud postulierte angeborene Masochismus des Weibes oder die typisch weibliche Kombination aus Kämpfernatur und ausgeprägtem Familiensinn, egal wie: Der Originaltext bleibt uns ebenso die Antwort schuldig wie die kulturelle Überlieferung, was uns wieder zur Verachtung der Frau in der monotheistisch geprägten Tradition führt: Als eigenständig handelndes Subjekt ist die Frau stets Sünderin. Respekt erlangt sie allein durch Gehorsam und Leiden. Ihr Lohn besteht dann im Privileg, die - vorzugsweise männliche - Brut aufziehen zu dürfen.
Mit der Schöpfungsgeschichte ist es natürlich noch lange nicht vorbei: Die Bibel ist von vorne bis hinten mit frauenfeindlichen Geschichten gespickt.
Griechen und Germanen
Eine weibliche Lichtgestalt wie Pallas Athene, die nicht nur die Göttin der Weisheit war, sondern ihre Interessen auch mit Schwert, Schild und Speer zu verteidigen wusste, suchen wir in der Bibel vergeblich. Dies ist auch nicht überraschend, denn die nahöstlichen Kulturen, in denen Thora, Bibel und Koran entstanden sind, waren und sind immer noch von einem anderen Verhältnis der Geschlechter zueinander geprägt, als dem, wie es z.B. laut Tacitus bei den Germanen herrschte, wo Frauen gleichberechtigt an den Stammesversammlungen teilnahmen. Dieses andere Verhältnis zwischen den Geschlechtern findet sich ansatzweise noch in der Nibelungensage, auch wenn in dieser bereits der spätrömische Einfluss mit all seinem christlichen Unrat deutlich zu spüren ist: Kriemhild ist nicht nur der komplexeste Charakter der Sage sondern auch die zentrale Figur der Handlung bis zu ihrer finalen Nemesis. Brünhild, das Mannweib, dem selbst der Held Siegfried nur mit magischen Tricks Herr werden kann, ist die am stärksten positiv besetzte Gestalt im gesamten Werk.
Wie steht es aber mit Jesus Christus?
Es bleibt festzuhalten, dass die großen religiösen Schriften Thora, Bibel und Koran vor allem eins sind: perfekte Propagandawerkzeuge zur Zementierung der hierarchischen Gesellschaftsordnung. Die Existenz geistlicher und weltlicher Eliten wie auch die Unterordnung der Frau unter den Mann sind Teil des göttlichen Plans. Positiv lässt sich hier nur der Einfluss des im römischen Reich unter dem Einfluss des Hellenismus aufgewachsenen Jesus vermerken, der den Herrschenden, seien es nun Priester, Könige, Reiche oder einfach nur Männer, immerhin zu rationalem und verantwortungsvollem Gebrauch ihrer Macht ermahnte, ohne allerdings die Verhältnisse grundsätzlich in Frage zu stellen (Gebt Gott, was Gottes ist und dem Kaiser, was des Kaisers ist).
Religion als Eskapismus
Die menschliche Angst vor dem Tode und der uns angeborene Wissensdrang, der uns nach Antworten auf die große Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest [D. Adams] suchen lässt, haben die Menschen früherer(?) Zeiten zu nahezu hilflosen Opfern derjenigen gemacht, die mit Mystik, himmlischen Geboten und dem Versprechen auf ein Leben nach dem Tode ihre eigene Macht zu sichern wussten.
Erst mit der Aufklärung, dem Austritt des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit [Kant], halten wir den Schlüssel zu unserem Denken selber in der Hand. Die Aufklärung ist nach meiner Einschätzung der wertvollste Beitrag, den die abendländische Kultur zum wirklichen Fortschritt der Menschheit geliefert hat. Rationalismus und Humanismus sind ihre wunderbar geratenen Kinder.
Vor einiger Zeit zitierte @Kobold 1 die Aussage des Nobelpreisträgers Steven Weinberg:
Religion ist eine Beleidigung der Menschenwürde. Mit oder ohne sie würden gute Menschen Gutes tun und böse Menschen Böses. Aber damit gute Menschen Böses tun, dafür bedarf es der Religionen!
Inhaltlich ist dem wenig hinzuzufügen, ich möchte diese These aber noch mit ein wenig Faktenmaterial untermauern:
Religion als Rechtfertigung moralischer Beliebigkeit
Die weibliche Genitalverstümmelung ist eine brutale und widerwärtige Tradition in Afrika und im vorderen Orient und wird auch heute noch sowohl in christlichen wie auch in muslimischen Gemeinden praktiziert. Tatsächlich findet sich in den heiligen Büchern wenig bis gar nichts, dass diese Tradition rechtfertigen würde. Tatsache ist aber auch, dass sie nur in stark religiös geprägten Gemeinschaften praktiziert wird und dass sie dort einen integralen Bestandteil der gelebten Religiosität darstellt.
In weiten Teilen Osteuropas, Asiens und Afrikas hat in den letzten Jahren die Diskriminierung und Verfolgung Homosexueller erheblich zugenommen. Stets werden zur Rechtfertigung staatlicher Repression, bis hin zu Haft und sogar Todesstrafe, traditionelle religiöse Werte herangezogen. Unsere europäischen Mainstream-Kirchen wenden sich zwar gegen Gewalt und Diskriminierung. Für die Menschen, die eben diese Gewalt und Repression ausüben, befürworten oder auch nur tolerieren, ist es aber eine Selbstverständlichkeit, sich auf der Seite Gottes oder mindestens der Religion zu verorten.
Beides fügt sich nahtlos in die von @nice_cora vor einiger Zeit verlinkte Neuinterpretation des Milgram-Experiments: Die meisten Menschen sind bereit, auch nach ihren eigenen Maßstäben, Böses zu tun, wenn sie der Überzeugung sind, damit einer guten Sache zu dienen.
Auch der europäische Antisemitismus hatte seine Jahrhunderte-alte christliche Rechtfertigung. Heute ist uns stets bewusst, das Jesus Christus Jude war. Vor dem nationalsozialistischen Massenmord herrschte das allgemeine Bewusstsein, dass die Juden allesamt Verbrecher seien, weil sie es waren, die unseren Erlöser ans Kreuz geschlagen hatten.
Für viele Menschen stellt ihr Gott und die ihn verehrende Religion den höchsten aller Werte dar. Mit dieser Überzeugung kann jede Schandtat gerechtfertigt werden, wenn sie der entsprechende Mensch auf irgendeine Art und Weise für sich mit seinem Glauben in Verbindung bringen kann. Daher ist es völlig unerheblich, wie die offizielle Haltung der entsprechenden Religion aussieht oder wie sich ihre Anführer konkret äußern: Das Problem ist Religion an sich: die Überzeugung von der Existenz einer entrückten höchsten Instanz lässt alle moralischen Werte zur Beliebigkeit verkommen.

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Hoffnung für die Zukunft
Es gibt durchaus Menschen, die durch ihren Glauben den Weg zum Guten gefunden haben, es ist dies aber einfach nur ein Weg unter vielen und er kann genauso gut in die Unmenschlichkeit führen.Ich hoffe inständig, dass die Menschheit eines Tages einen Schlussstrich unter dieses Kapitel des irrationalen Inhumanismus, der sich Religion nennt, ziehen wird. Die Welt wird dann eine bessere sein.
conchita dixit