Ich gratuliere zum Mut, sich in der Klinik behandeln zu lassen. Nimm diese Möglichkeit als Chance, in Ruhe professionell unterstützt zu werden. Früher habe ich hier geschrieben, dass Du trotz Psychiater, Pillen oder welcher Unterstützung auch immer, schlussendlich selbst JA sagen musst zum Leben. Verantwortung übernehmen musst für Dein Leben. Denn das Leben - übrigens das grösste Geschenk, dass Du je erhalten wirst - bedeutet natürlich nicht nur eine mehr oder weniger tolle Zeit zu verbringen, es beinhaltet auch die Verpflichtung, das beste aus diesem Geschenk zu machen. Oder würdest Du jemandem je wieder etwas schenken, wenn die Person Dein Geschenk einfach achtlos beiseite schiebt? Eben!
Deine Geschichte ist so komplex, dass ich in diesem Forum eigentlich nur auf ein, zwei Punkte antworten kann. Vielleicht hilft es als Denkanstoss?
Du schreibst über die Frau an der Party, bei der Du Dich nicht getraut hast, sie anzusprechen. Eins vorweg: Die meisten Leute getrauen sich nicht, jemanden einfach so anzusprechen. Wobei - meiner bescheidenen Erfahrung nach - die Schweizer hier nochmals wesentlich zurückhaltender sind als z.B. die Deutschen. Sei's drum. Du hast also diese Frau gesehen, und sofort startete Dein Kopfkino. Du hast soviel in diese Geschichte hinein interpretiert, dass Dein ganzes zukünfigtes Leben von einem einzelnen Moment abhängt. Es ist klar, dass dabei die Sprache wegbleibt. Vielleicht ist diese Frau einfach Deinem Bekannten hinterher gelaufen, weil er die einzige bekannte Person auf der Party war? Vermutlich war die Frau genau so scheu wie Du, deshalb vielleicht auch die Verbundenheit deinerseits. Es hilft in solchen Momenten, sich der eigenen Erwartungen bewusst zu werden. Und sich im Klaren zu sein, dass dies alles nur Kopfkino ist, heisse Luft. Sobald sich diese Erwartungen reduzieren, wird es möglich, unverbindlich das Gespräch zu suchen. Vielleicht nicht direkt auf die Frau zuzugehen und sie mit einem Spruch zu überfallen. Aber ein Gespräch mit dem Bekannten zu suchen, vielleicht böte sich so die Möglichkeit, unverbindlich ins Gespräch zu kommen. Nochmals: Der Schlüssel zum Erfolg liegt auch hier an den übermässigen Erwartungen, eine eigentlich kleine Hürde wird zu einem unüberwindbaren Berg, der einen erdrückt.
Aber lass uns doch die Geschichte etwas weiter spinnen: Was wäre denn, wenn Deine Heldenträume wahr würden, wenn Du als reicher, schöner erfolgreicher Mann auf der Party gewesen wärst? Vielleicht hätten Dich die Leute bemitleidet, weil ein einsamer Playboy oft selbstverliebter Narzisst ist, der nicht lieben kann und auch nicht geliebt wird. Vielleicht hätte die Frau den Kontakt mit Dir gesucht, Du hätest aber (zurecht?) vermutet, dass sie nur Dein Geld und Deinen Erfolg will, und hättest geblockt. Klar, jemanden so blocken können befriedigt das Machgefühl, aber macht es satt...? Nicht wirklich, oder?
Ganz zum Schluss eine kleine Geschichte: Ich habe mal einen Mann gekannt, der im Rollstuhl sass, weil er gehbehindert war. Nun, eigentlich ist es so, dass Ärzte und Alle wussten, dass der Mann NICHT gehbehindert war. Aber der Mann war dermassen fokussiert auf diese Idee, dass er sich sicher war, gehbehindert zu sein. Es ging ihm nicht schlecht damit, er wurde betreut, bemitleidet, verwöhnt, stand oft im Mittelpunkt. Jedenfalls wurde diese Idee so fix, dass er vermutlich noch heute im Rollstuhl sitzt, sich verwöhnen lässt, und davon träumt, was er alles anstellen würde, wenn er nicht gehbehindert wäre...